Mit den aufenthaltsrechtlichen Folgen einer Verurteilung verhält es sich ähnlich wie mit der Untersuchungshaft: Es handelt sich entgegen einer in der Praxis weit verbreiteten Fehlvorstellung grundsätzlich nicht um einen bestimmenden Strafmilderungsgrund. Die Rechtsprechung des BGH ist insoweit – seit vielen Jahren – eindeutig (so z.B. schon BGH NJW 1997, 403).
Hinweis:
Auch die Ausländereigenschaft als solche wirkt sich nicht strafmildernd aus (vgl. Fischer, § 46 Rn 43b m.w.N.). Umgekehrt darf sie aber auch nicht strafschärfend herangezogen werden, etwa weil der Angeklagte "die Gastfreundschaft missbraucht" (BGH NStZ 1993, 337) oder "das Ansehen der Asylbewerber in Deutschland stark beschädigt und damit einer positiven Einstellung der Bevölkerung gegenüber asylsuchenden und anderen Ausländern entgegengewirkt" habe (BGH NJW 2017, 1491). Derartige moralisierende Erwägungen haben in der Strafzumessung, die sich an der Schuld des Täters zu orientieren hat, nichts zu suchen (vgl. zur Unzulässigkeit moralisierender Ausführungen auch BGH, Beschl. v. 19.12.2018 – 1 StR 477/18).
Dass sich die vorgenannte höchstrichterliche Rechtsprechung in absehbarer Zeit ändern könnte, ist nicht ersichtlich. Stattdessen hat der BGH im Gegenteil klargestellt, dass vor dem Hintergrund der seit dem 17.3.2016 geltenden Neuregelung des § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG, wonach bei einer Ausweisungsentscheidung nunmehr generell eine Abwägung zwischen dem Ausweisungsinteresse und dem Bleibeinteresse des Betroffenen vorzunehmen ist, umso mehr gelte, dass ausländerrechtliche Folgen der Verurteilung keine bestimmenden Strafmilderungsgründe sind (BGH NStZ-RR 2018, 256).
Eine andere strafzumessungsrechtliche Beurteilung kann nur gerechtfertigt sein, wenn im Einzelfall zusätzliche Umstände hinzutreten, welche die Beendigung des Aufenthalts im Inland als besondere Härte erscheinen lassen (BGH a.a.O.). Derartige Umstände hat das Gericht darzulegen. Enthält das Urteil hierzu keine Ausführungen, wird eine Revision der Staatsanwaltschaft zum Selbstläufer.
Wann solche zusätzlichen Umstände vorliegen, wird in hohem Maße einzelfallabhängig sein; Fallgruppen lassen sich insoweit kaum bilden. Es wird sich jedoch um über die allgemeinen, mit derartigen Entscheidungen zwangsläufig immer verbundenen Wirkungen der Aufenthaltsbeendigung (Verlust des beruflichen und persönlichen Umfelds, Wegfall der bisherigen sozialen Kontakte usw.) deutlich hinausreichende Umstände handeln müssen.
Hinweis:
Hält sich der Angeklagte illegal in der Bundesrepublik Deutschland auf, sei es, weil er von vornherein unerlaubt eingereist ist, oder weil er nach Abschluss der aufenthaltsrechtlichen Verfahren bereits vollziehbar ausreisepflichtig ist, dürften besondere Härten der Aufenthaltsbeendigung kaum einmal vorliegen (vgl. BGH StV 2018, 559).