Rechtsschutzversicherer zahlen jährlich mehr als 2 Milliarden Euro Anwaltshonorare, sie sind daher der größte und wichtigste Gebührenzahler der Anwaltschaft.
Umgekehrt brauchen die Rechtsschutzversicherer die Anwaltschaft als Erfüllungsgehilfen ihres Rechtsschutzversprechens, da Rechtsschutzversicherer aus gutem Grunde ihre Versicherungsnehmer nicht unmittelbar beraten und vertreten dürfen. Rechtsschutzversicherer sind daher mindestens in gleichem Umfang von der Zusammenarbeit mit der Anwaltschaft abhängig wie umgekehrt die Anwaltschaft von den Leistungen der Rechtsschutzversicherer abhängig ist.
Das immer noch in Teilen der Richterschaft gepflegte Vorurteil, dass Rechtsschutzversicherer aus friedfertigen Bürgern prozesswütige Streithansel machen, ist durch eine Vielzahl von empirischen Untersuchungen widerlegt worden (van Bühren, ZAP 2016, 981 f./F. 10, S. 393 f.: "Prozessflut durch Rechtsschutzversicherungen").
Rechtsschutzversicherer erfüllen auch eine rechtsethische und systemrelevante Aufgabe, weil sie risikoreiche und kostspielige Prozesse gegen die Allmacht von Versicherungen, Banken und Industrieunternehmen oft erst ermöglichen.
Der bisweilen festzustellende "Grabenkrieg" zwischen Rechtsanwälten und Rechtsschutzversicherern dürfte durch die beiden vorgensannten Entscheidungen des BGH zumindest teilweise entschärft werden.
Es gibt Rechtsanwälte, die die Rechtsschutzversicherungen als "Selbstbedienungsladen" missverstehen und wider besseres Wissen Erfolgsaussichten für eine Klage bestätigen oder durch Massenklagen wie beispielsweise in Anlegerprozessen hohe Gebührenansprüche generieren, wohl wissend, dass selbst bei Erfolg einer Klage keine Vollstreckungsmöglichkeiten bestehen. Auf der anderen Seite sehen viele Rechtsschutzversicherer ihre Aufgabe darin, nach Ablehnungsgründen zu suchen oder den Deckungsschutz mit fadenscheinigen Argumenten zu versagen.
Ärgerlich sind insb. die Versuche von Rechtsschutzversicherern, die in § 127 VVG normierte freie Anwaltswahl einzuschränken. In 4.1 ARB 2012 heißt es, die Beauftragung eines Rechtsanwalts müsse’mit dem Rechtsschutzversicherer abgestimmt werden. Auf diese Weise wollen die Versicherer’sog. Vertrauensanwälte empfehlen, mit denen sie durch ein Gebührenabkommen verbunden’sind. Hier dürfte Interessenkollision vorliegen, da Rechtsanwälte sowohl die Interessen des Mandanten als auch die des Rechtsschutzversicherers zu berücksichtigen haben. Gerade bei der Prüfung der Erfolgsaussichten wird dieser Interessenkonflikt deutlich. Ein Rechtsanwalt, der auch für risikoreiche Prozesse Erfolgsaussichten bejaht, kann nicht mit den Empfehlungen des Rechtsschutzversicherers rechnen, welche die Gegenleistung dafür darstellen, dass Gebührenabstriche gemacht werden.
Rechtsschutzversicherer und gleichermaßen die Anwaltschaft sollten im Umgang miteinander stets die Legaldefinition des Berufsbilds des Rechtsanwalts berücksichtigen: "Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege".
Autor: Rechtsanwalt Dr. Hubert W. van Bühren, Köln
ZAP F. 10, S. 591–594