Der Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität (vgl. zuletzt Anwaltsmagazin ZAP 8/2020, S. 377) war Thema einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Anfang Mai. Die Ziele des Vorhabens wurden von den zwölf Sachverständigen und Beigeordneten mehrheitlich begrüßt, die Umsetzung sei jedoch nicht optimal. Mehrere Experten bemängelten einen zu starken Eingriff in Freiheitsrechte.
Mit dem Gesetz will die Bundesregierung einer im Internet und besonders in den sozialen Medien zunehmend zu beobachtenden Verrohung der Kommunikation entgegentreten. Durch aggressives Auftreten bis hin zu Morddrohungen werde nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen, sondern auch der politische Diskurs in der demokratischen und pluralistischen Gesellschaftsordnung angegriffen, heißt es im Entwurf. Damit sei der freie Meinungsaustausch im Internet und letztendlich die Meinungsfreiheit gefährdet. Zu deren Verteidigung sei der Staat verpflichtet.
Der Entwurf, der im März in erster Lesung im Bundestag weitgehend als dringend notwendig erachtet wurde, sieht als eine zentrale Neuerung die Einführung einer Meldepflicht der Anbieter sozialer Netzwerke i.S.d. Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) vor. Sie sollen verpflichtet werden, ein System einzurichten, wonach bestimmte strafbare Inhalte an das BKA zu’melden sind. Erfasst sein sollen nur solche Inhalte, bei denen es konkrete Anhaltspunkte für die Erfüllung eines Straftatbestands gibt und die’anhaltende negative Auswirkungen auf die Ausübung der Meinungsfreiheit in den sozialen Medien haben können. Zusätzlich soll das Zugänglichmachen kinderpornografischer Inhalte erfasst werden. Der Katalog der rechtswidrigen Inhalte des NetzDG soll um das Delikt der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener ergänzt werden, da die Erfahrungen aus der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke 2019 gezeigt hätten, wie sehr Hetze im Netz mittlerweile auch in dieser Form ihren Ausdruck findet. Der Entwurf schlägt zudem vor, den Straftatenkatalog des StGB dahingehend zu erweitern, dass zukünftig auch die Androhung einer gefährlichen Körperverletzung strafbar sein kann. Auch die Billigung noch nicht erfolgter Straftaten soll erfasst werden. Öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften getätigte beleidigende Äußerungen sollen zukünftig im Höchstmaß mit zwei Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden können. Der Tatbestand der üblen Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens soll auch für Taten gegen Personen bis hin zur kommunalen Ebene gelten.
Unter den Tatbestand Bedrohung soll zukünftig auch die Bedrohung mit einer rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert gefasst werden. Bei der Strafzumessung sollen antisemitische Motive eines Täters besonders berücksichtigt werden. In der Strafprozessordnung sollen die Regelungen über die Verkehrs- und Bestandsdatenerhebung gegenüber Telekommunikationsdiensteanbietern auf Maßnahmen gegenüber Telemediendiensteanbietern erweitert werden.
Ein Strafrechtler von der Ludwig-Maximilians-Universität München erklärte in seiner Stellungnahme, die vorgeschlagenen Änderungen des StGB verdienten in ihrer Zielsetzung uneingeschränkt Zustimmung. Die Änderungen und Ergänzungen bei den Beleidigungstatbeständen, die einen der Schwerpunkte des Entwurfs bilden, seien sinnvoll. Zu weit gingen allerdings die vorgesehenen Änderungen beim Tatbestand der Bedrohung. Die mit dem Mittel des Strafrechts verfolgten gesetzgeberischen Ziele ließen sich nur erreichen, wenn die Strafjustiz auch über ausreichende Ressourcen verfüge, fügte er hinzu.
Auf das Thema Ressourcen gingen auch zwei hochrangige Vertreter der Staatsanwaltschaft, darunter der Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen, ein. Letzterer begrüßte die Stärkung der materiell-rechtlichen und strafprozessualen Grundlagen für die Strafverfolgung. Das durch die gesetzlichen Neuregelungen zu erwartende Arbeitsaufkommen sei’jedoch nicht in erforderlichem Maße berücksichtigt worden. Sein Kollege von der Zentralstelle’zur Bekämpfung der Internetkriminalität der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/M. betonte, die gesetzgeberische Zielsetzung werde die beteiligten Ermittlungsbehörden vor eine beispiellose Mammutaufgabe stellen. Das bisherige Gesetzgebungsverfahren habe gezeigt, dass auch grundsätzliche Fragestellungen noch nicht abschließend geklärt seien, die für das Ziel der Ermöglichung einer effektiven Strafverfolgung von wesentlicher Bedeutung sein dürften.
Für den geladenen BKA-Vizepräsidenten ist der Gesetzentwurf ein wichtiger Fortschritt bei der Bekämpfung von Straftaten im Internet. Die im aktuellen Gesetzgebungsverfahren vorliegenden Rechtsänderungen seien erforderlich und geeignet, strafrechtliches Handeln aus der scheinbaren Anonymität des Netzes zu holen, betont...