Es muss zwischen den Voraussetzungen für die arbeitsrechtliche Anordnungsmöglichkeit von Kurzarbeit und der leistungsrechtlichen Gewährung von Kurzarbeitergeld durch die Bundesagentur für Arbeit differenziert werden.
Arbeitgeber haben grds. die Pflicht, die Arbeitnehmer zu beschäftigen. Es bedarf daher einer Rechtsgrundlage, um diese Beschäftigungspflicht einzuschränken oder ganz auszusetzen. Hierzu ist eine Regelung in einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder in einer individualrechtlichen Vereinbarung mit jedem einzelnen Arbeitnehmer notwendig.
Hinweis:
Bei einer Anordnung ohne rechtliche Grundlage besteht kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld, und Arbeitnehmer behalten ihren vollen Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber.
1. Tarifvertrag
In vielen Branchen finden sich Tarifverträge, in denen Arbeitgeber und Betriebsrat ermächtigt werden, unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen, v.a. zu Umfang, Ausmaß und Höchstdauer der Kurzarbeit sowie einer Ankündigungsfrist, Kurzarbeit einzuführen. Wichtig ist, dass in den Tarifverträgen die Voraussetzungen der Einführung der Kurzarbeit bestimmt werden müssen und Pauschalermächtigungen unzulässig sind (BAG, Urt. v. 27.1.1994 – 6 AZR 541/93, NZA 1995, 134). Häufig werden auch zu zahlende Zuschüsse, sog. Aufstockungen, zum Kurzarbeitergeld geregelt.
2. Betriebsvereinbarung
Fehlt es an einem Tarifvertrag, besteht im Betrieb aber ein Betriebsrat, kann Kurzarbeit durch eine Betriebsvereinbarung eingeführt werden. Dem Betriebsrat steht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bei der Einführung von Kurzarbeit ein zwingendes Mitbestimmungsrecht zu. Die Betriebsvereinbarung muss die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten so deutlich regeln, dass für die Arbeitnehmer zuverlässig erkennbar wird, wann insb. die Kurzarbeit beginnen und enden, wie die Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer während der Kurzarbeit erfolgen soll. Auch ist die Festlegung der Zeiträume, in denen die Arbeit ganz oder teilweise ausfallen soll, zu regeln (BAG, Urt. v. 18.11.2015 – 5 AZR 491/14, NZA 2016, 565).
Betriebsräte machen ihre Zustimmung zur Einführung von Kurzarbeit häufig von Zuschüssen zum Kurzarbeitergeld abhängig oder verlangen eine befristete Beschäftigungssicherung durch den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen. Hierbei handelt es sich allerdings um Entgeltfragen, die von § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nicht – auch nicht als Annexkompetenz – erfasst sind (vgl. LAG Köln, Beschl. v. 14.6.1989 – 2 TaBV 17/89, NZA 1989, 939; Richardi, 16. Aufl. 2018, § 87 BetrVG Rn 383 m.w.N.). Können sich die Betriebsparteien nicht einigen, kann die Einigungsstelle angerufen werden.
3. Individualrechtliche Vereinbarung
Kommt weder eine tarifliche Regelung noch eine Betriebsvereinbarung (z.B. in einem betriebsratslosen Betrieb) in Betracht, kann die Rechtsgrundlage zur Einführung von Kurzarbeit nur durch Individualvereinbarung geschaffen werden. Zum Teil enthalten Arbeitsverträge sog. Kurzarbeitsklauseln. Diese ermächtigen den Arbeitgeber zur Anordnung von Kurzarbeit ohne weitere Zustimmung des Arbeitnehmers. Sie unterliegen allerdings der sog. AGB-Kontrolle. Nach der bisherigen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung müssen Kurzarbeitsklauseln zur ihrer Wirksamkeit Regelungen zum Umfang und Ausmaß der Kurzarbeit, zu dem betroffenen Bereich im Betrieb, zu dem betroffenen Personenkreis, zu der Art und Weise der Einbeziehung dieses Personenkreises und eine konkrete Ankündigungsfrist enthalten (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 2 Sa 1230/10, NZA-RR 2011, 65).
Hinweis:
In der Praxis haben sich die Ereignisse angesichts der sich schnell ausbreitenden Corona-Pandemie überschlagen. Viele Arbeitgeber sahen sich durch die politischen Signale der Bundesregierung zur Einführung der Kurzarbeit motiviert. Die arbeitsrechtliche Einführung der Kurzarbeit wurde deshalb häufig rasant umgesetzt, um Kurzarbeitergeld beziehen zu können. Auch die Formulare der Bundesagentur für Arbeit vermittelten den Eindruck, Kurzarbeitergeld sei ohne größere Hürden zu beziehen. So lässt die Bundesagentur für Arbeit beispielsweise eine einfache Zustimmungserklärung der Arbeitnehmerseite zu. Diese "einfache" Zustimmungserklärung enthält jedoch keine konkreten Vereinbarungen, z.B. zur Dauer oder zur Höhe der Kurzarbeit. Es ist daher – in arbeitsrechtlicher Hinsicht – Vorsicht geboten!
Die individualrechtliche Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer ist nicht erzwingbar! Weigern sich Arbeitnehmer, eine solche Vereinbarung zu treffen oder mindestens der Einführung zuzustimmen, kann für diese Arbeitnehmer Kurzarbeit nicht angeordnet werden, die Bundesagentur für Arbeit kann dem Antrag des Arbeitgebers nicht stattgeben.
Die Einführung von Kurzarbeit im Wege des Direktionsrechts ist nicht zulässig (BAG, Urt. v. 18.11.2015 – 5 AZR 491/14, NZA 2016, 565). Möglich bleibt dann nur noch der Weg über die sog. (außerordentliche) Änderungskündigung, um die Einführung der Kurzarbeit zu erzwingen (vgl. hierzu: Bauer/Günther, NZA 2020, 419). Eine ordentliche Änderungskündigung ist dabei häufig wegen der Einha...