In einem vom OLG Naumburg entschiedenen Sachverhalt (Urt. v. 9.11.2019 – 9 U 6/19) ging es um Folgendes: Eine Apotheke verfügte auch über eine Onlinepräsenz. Darüber hinaus war der Apotheker auf dem "Amazon-Marketplace" unter dem Profilnamen "... Apotheke" tätig. Sein dortiges Sortiment beinhaltete u.a. apothekenpflichtige Medikamente. Ein Mitbewerber mahnte den Apotheker wegen des Vertriebs von Medikamenten über den "Amazon-Marketplace" ab. Er war der Ansicht, dass der Apotheker gegen Art. 9 DSGVO verstoße. Der abgemahnte Apotheker gab die geforderte Unterlassungserklärung nicht ab. Der Mitbewerber erhob daher Klage, die von dem angerufenen LG abgewiesen wurde. Auf die Berufung des Klägers wurde der Beklagte im Hinblick auf den vorstehend gerügten Verstoß antragsgemäß verurteilt.
Zunächst hat das OLG Naumburg entschieden, dass es sich bei Art. 9 Abs. 1 DSGVO um eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG handelt.’Auf die in der Rechtsprechung uneinheitlich beantwortete Fragestellung, ob Datenschutznormen’nach Inkrafttreten der DSGVO Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 3a UWG darstellen können (bejahend: OLG Stuttgart, Urt. v. 27.2.2020 – 2 U 257/19; OLG Hamburg, Urt. v. 25.10.2018 – 3’U 66/17; ablehnend z.B. LG Bochum, Urt. v. 7.8.2018 – 12 O 85/18), soll an dieser Stelle der Übersichtlichkeit halber nicht näher eingegangen werden. Diese Frage wird nach unserer Kenntnis demnächst vom BGH entschieden werden müssen.
Das OLG Naumburg stellte ferner fest, dass es sich bei den Bestelldaten der Kunden um Gesundheitsdaten i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DSGVO handelt. Nach Art. 4 Nr. 15 DSGVO sind Gesundheitsdaten personenbezogene Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person, einschließlich der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen, beziehen und aus denen Informationen über deren Gesundheitszustand hervorgehen. Aus den Bestelldaten können nach Ansicht des OLG Naumburg Rückschlüsse auf die Gesundheit des Bestellers gezogen werden, auch wenn diese Bestelldaten keine Gesundheitsdaten im engeren Sinne, z.B. ärztliche Befunde, darstellten. Insbesondere eine Kombination aus mehreren apothekenpflichtigen Medikamenten lasse einen Rückschluss auf den Gesundheitszustand des Bestellers zu.
Das OLG Naumburg stellte zudem fest, dass es sich bei der Datenverarbeitung durch den "Amazon-Marketplace" um keine Auftragsverarbeitung i.S.d. Art. 28 DSGVO im Auftrag des beklagten Apothekers handele.
Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten ist nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO untersagt, es sei denn, dass ein Ausnahmetatbestand i.S.d. Art. 9 Abs. 2 DSGVO einschlägig ist. Hat die betroffene Person in die Verarbeitung "ausdrücklich eingewilligt" (Art. 9 Abs. 2 Nr. 1 DSGVO), so ist die Verarbeitung daher zulässig. Nach Ansicht des OLG Naumburg gibt es jedoch keine ausdrückliche Einwilligung im Fall einer Bestellung auf dem "Amazon-Marketplace". Eine konkludente Einwilligung in die Verarbeitung, wie sie auf dem "Amazon-Marketplace" erfolge,sei nicht ausreichend. Nach § 15 Abs. 2 der Berufsordnung der betroffenen Apothekerkammer (hier: Sachsen-Anhalt) sei der Apotheker im Übrigen zur’Einholung einer schriftlichen Einwilligung berufsrechtlich verpflichtet. Eine solche schriftliche Einwilligung könne jedoch aufgrund der Bestellabläufe auf dem "Amazon-Marketplace" nicht eingeholt werden. Im Übrigen hatte auch der beklagte Apotheker nicht behauptet, dass eine ausdrückliche Einwilligung i.S.d. Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO vorliege. Vor diesem Hintergrund sah das’OLG Naumburg daher einen Verstoß gegen §§ 3a UWG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO als gegeben an.
Abschließend sei angemerkt: Ob die Regelung des § 15 Abs. 2 der Berufsordnung der Apothekerkammer unionsrechtskonform ist, wurde nicht thematisiert. Hiernach bedarf die Speicherung und Nutzung patientenbezogener Daten der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Betroffenen, sofern sie nicht nach dem Bundesdatenschutzgesetz und anderen Ermächtigungsgrundlagen zulässig sind oder von gesetzlichen Bestimmungen gefordert werden. Diese Norm der Berufsordnung wurde noch nicht an die Vorgaben der DSGVO angepasst, da sie eine "Speicherung und Nutzung", nicht aber eine "Verarbeitung" erwähnt und ferner die DSGVO nicht benannt ist. Nach Erwägungsgrund 32, S. 2, zur DSGVO kann eine Einwilligung auch durch "Anklicken eines Kästchens" erteilt werden, sodass das Erfordernis einer "schriftlichen" Einwilligung nicht mehr dem geltenden Recht entsprechen dürfte.