Eine negative Gesundheitsprognose liegt vor, wenn bei Zugang der Kündigung aufgrund objektiver Tatsachen damit zu rechnen ist, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft seinem Arbeitsplatz krankheitsbedingt in erheblichem Umfang – aufgrund häufiger Kurzerkrankungen oder aufgrund einer langanhaltenden Erkrankung – fernbleiben wird (BAG, Urt. v. 21.2.2001 – 2 AZR 558/99, NZA 2001, 1071, Rn 20).
Das BAG konkretisiert die vorstehend aufgeführten Grundsätze in folgendem Prüfungsaufbau: Bei häufigen Kurzzeiterkrankungen muss die auf objektiven Tatsachen beruhende Prognose darauf schließen lassen, dass der Arbeitnehmer weiterhin in erheblichem Umfang – von mehr als sechs Wochen im Jahr – erkranken wird, z.B. weil eine Grunderkrankung vorliegt, die nicht geheilt ist und erfahrungsgemäß regelmäßig wieder zu Krankschreibungen führt. In der Regel darf der Arbeitgeber sich daher auf der ersten Prüfungsstufe darauf beschränken, die Krankheitszeiten des Arbeitnehmers nach Zahl, Dauer und zeitlicher Folge im Einzelnen darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Fehlzeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (BAG, Urt. v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612, Rn 17). Für die Prognose eignet sich ein Referenzzeitraum von drei Jahren, der allerdings nicht starr einzuhalten ist (BAG, Urt. v. 25.4.2018 – 2 AZR 6/18, NZA 2018, 1056).
Praxishinweis bzgl. der Darlegungs- und Beweislast:
Indizieren die von dem Arbeitgeber herangezogenen krankheitsbedingten Fehlzeiten eine negative Gesundheitsprognose, ist es sodann Sache des Arbeitnehmers gem. § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er kann dazu vortragen, dass bestimmte Fehlzeiten auf mittlerweile ausgeheilte Krankheiten zurückzuführen und deshalb für die Negativprognose nicht mehr relevant sind. Im Allgemeinen genügt der Arbeitnehmer seiner prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung bzgl. sämtlicher prognosetragender Erkrankungen im Kündigungszeitpunkt positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des arbeitnehmerseitigen Vortrags ist es sodann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 26.1.2021 – 6 Sa 124/20, juris Rn 45).
Bei einer langandauernden Erkrankung kann allein die Dauer der Arbeitsunfähigkeit in der unmittelbaren Vergangenheit ein Indiz für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit in der Zukunft darstellen. Bei einer Langzeiterkrankung ist die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit dann einer dauernden krankheitsbedingten Leistungsunfähigkeit gleichzustellen, wenn in den kommenden 24 Monaten mit keiner Rückkehr des Arbeitnehmers an den Arbeitsplatz gerechnet werden kann (BAG, Urt. v. 13.5.2015 – 2 AZR 565/14, NZA 2015, 1249, Rn 15).
Hinweis:
Sind dem Arbeitgeber Ursachen und Prognose der Erkrankung des Arbeitnehmers unbekannt, genügt er daher seiner Darlegungslast, wenn er die bisherige, mindestens 24-monatige Dauer der Erkrankung vorträgt.
Weniger praxisrelevant sind bislang Kündigungen aufgrund einer krankheitsbedingten Leistungsminderung. Das BAG bewertet die Zulässigkeit einer Kündigung wegen krankheitsbedingter Leistungsminderung zurückhaltend, insb., wenn das Arbeitsverhältnis ordentlich unkündbar ist. In Fällen der Leistungsminderung, die nicht zu Fehlzeiten führt, muss sich die negative Prognose auf den voraussichtlichen Gesundheitszustand beziehen (BAG, Urt. v. 22.10.2015 – 2 AZR 550/14, NZA-RR 2016, 243, Rn 26 ff.). Ist der Arbeitnehmer in seinem Leistungsvermögen über Jahre hinweg erheblich eingeschränkt, ohne dass erkennbar eine Besserung eintritt, hat dies Indizwirkung für die weitere Entwicklung. Das BAG hat z.B. eine Kündigung wegen krankheitsbedingter Leistungsminderung als zulässig angesehen, da die betroffene Arbeitnehmerin nur noch ⅔ der Normalleistung erbrachte und auch künftig zu erbringen vermochte und für sie auch kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand, auf dem betriebliche Beeinträchtigungen nicht mehr zu erwarten waren (BAG, Urt. v. 26.9.1991 – 2 AZR 132/91, NZA 1992, 1073, 1076).