Es warteten somit alle auf die abschließende, verfassungsrechtliche Beurteilung, wobei sowohl der Berliner Verfassungsgerichtshof als auch beide Senate in Karlsruhe dazu aufgerufen waren. Zuerst entschieden hat nun der 2. Senat des BVerfG. Er ist im Wesentlichen zuständig für Organstreitverfahren. Der Senat hat das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) als mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 72 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig erklärt. Dem Land Berlin fehlte die Gesetzgebungskompetenz.
1. Grundsätzliche Kompetenzverteilung des Grundgesetzes
Das Grundgesetz geht von einer in aller Regel abschließenden Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern aus. Der Bund hat das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz ihm dieses ausdrücklich zuweist. Solange und soweit er im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch macht, entfällt die Regelungsbefugnis der Länder. Das GG enthält eine vollständige Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten entweder auf den Bund oder die Länder. Doppelzuständigkeiten sind den Kompetenznormen fremd. Das GG grenzt die Gesetzgebungskompetenzen insb. mit Hilfe der in den Art. 73 und Art. 74 GG enthaltenen Kataloge durchweg alternativ voneinander ab. Auch wenn die Materie eines Gesetzes Bezug zu verschiedenen Sachgebieten aufweist, die teils dem Bund, teils den Ländern zugewiesen sind, besteht deshalb die Notwendigkeit, sie dem einen oder anderen Kompetenzbereich zuzuweisen. Nach der Systematik der grundgesetzlichen Kompetenzordnung wird der Kompetenzbereich der Länder daher grds. durch die Reichweite der Bundeskompetenzen bestimmt, nicht umgekehrt. Öffnungsklauseln in Bundesgesetzen sind grds. zulässig, gewähren den Ländern jedoch keine über die Öffnung hinausgehenden Spielräume. Konzeptionelle Entscheidungen des Bundesgesetzgebers dürfen durch die Landesgesetzgeber nicht verfälscht werden. Die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung ist unverfügbar. Kompetenzen stehen nicht zur Disposition ihrer Träger. Vorbehaltlich spezieller verfassungsrechtlicher Ermächtigungen können Bund und Länder daher selbst mit Zustimmung der jeweils anderen Ebene nicht in Bereichen tätig werden, die das Grundgesetz der jeweils anderen Ebene zuweist. Macht der Bund von der konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch, verlieren die Länder gem. Art. 72 Abs. 1 GG das Recht zur Gesetzgebung in dem Zeitpunkt („solange”) und in dem Umfang („soweit”), in dem der Bund die Gesetzgebungskompetenz zulässigerweise in Anspruch nimmt (sog. Sperrwirkung).
2. Sperrwirkung der konkurrierenden Gesetzgebung
Soweit die Sperrwirkung reicht, entfällt die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Die Sperrwirkung verhindert für die Zukunft den Erlass neuer Landesgesetze und entzieht in der Vergangenheit erlassenen Landesgesetzen die Kompetenzgrundlage, sodass sie nichtig sind bzw. nichtig werden. Die Sperrwirkung i.S.v. Art. 72 Abs. 1 GG setzt voraus, dass bundes- und landesgesetzliche Regelung denselben Gegenstand betreffen. „Gebrauch” i.S.d. Art. 72 Abs. 1 GG macht der Bundesgesetzgeber nur, solange und soweit er für die betreffende Materie eine erschöpfende Regelung trifft oder treffen will. Ein deutliches Anzeichen dafür, dass eine landesrechtliche Bestimmung einen Bereich betrifft, den der Bundesgesetzgeber geregelt hat, liegt vor, wenn ihr Vollzug die Durchsetzung des Bundesrechts beeinträchtigt und dieses nicht mehr – zumindest nicht mehr vollständig – oder nur verändert angewandt und sein Regelungsziel lediglich modifiziert verwirklicht werden kann. Nach der Rechtsprechung des BVerfG besteht eine Vermutung für einen absichtsvollen Regelungsverzicht und damit eine abschließende bundesgesetzliche Regelung, soweit sich der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren mit einer bestimmten Frage auseinandergesetzt, diese aber in der Norm keinen Niederschlag gefunden hat. Eine abschließende Regelung liegt auch vor, wenn der Bundesgesetzgeber ergänzende Regelungen, die ein Landesgesetzgeber der Sache nach treffen könnte, als Bestandteil seiner inhaltlichen Konzeption i.S.e. Teilsperre ausgeschlossen hat.
3. Miethöherecht als Teil des bürgerlichen Rechts
a) Inhalt des bürgerlichen Rechts
Regelungen zur Miethöhe für frei finanzierten Wohnraum fallen nach Ansicht des BVerfG als Teil des sozialen Mietrechts in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht i.S.v. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Das belegen Regelungstradition und Staatspraxis. Nach dem durch Staatspraxis und Regelungstradition seit nunmehr 150 Jahren geprägten Rechtsverständnis umfasst das bürgerliche Recht die Gesamtheit aller Normen, die herkömmlicherweise dem Zivilrecht zugerechnet werden. Das bürgerliche Recht i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG umfasst neben den fünf Büchern des BGB als weitgehend abschließende Regelungen wichtiger Kernbestandteile des Privatrechts auch vielfältige Nebengesetze zur Ordnung von Privatrechtsverhältnissen wie etwa das Wohnungseigentumsrecht und das Beurkundungsrecht einschließlich der Gebührenfestsetzung.
b) Mietrecht als Teil des bürgerlichen Rechts
Das Recht der Mietverhältnisse ist seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1.1.1900 in den §§ 535 ff. BGB gereg...