§ 117 Abs. 1 StPO gibt dem Beschuldigten, gegen den Untersuchungshaft vollzogen wird, das Recht, jederzeit Haftprüfung zu beantragen. Dies gilt auch während laufender Hauptverhandlung, die Entscheidung ergeht dann aber nach der Rechtsprechung des BGH und der OLG stets ohne Schöffen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Haftprüfung in der Hauptverhandlung oder während einer Unterbrechung derselben zwischen zwei Sitzungstagen beantragt wird (s. hierzu die Nachweise bei Burhoff/Hillenbrand, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl. 2021, Rn 2048 [im Folgenden Burhoff/Bearbeiter, HV]).
Beantragt der Beschuldigte Haftprüfung, ist die vorherige oder gleichzeitige Einlegung einer Haftbeschwerde unzulässig (§ 117 Abs. 2 S. 1 StPO). Die Unzulässigkeit kann auch nicht durch eine spätere Rücknahme des Haftprüfungsantrags „geheilt” werden, jedoch ist dann eine „neue Haftbeschwerde” möglich (str., Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 117 StPO Rn 14 m.w.N. [im Folgenden Meyer-Goßner/Schmitt]).
Hinweis:
Mit der Beschwerde anfechtbar ist jedoch der auf die Haftprüfung ergehende Beschluss, sofern mit diesem Haftfortdauer angeordnet wird, § 117 Abs. 2 S. 2 StPO (zur Beschwerde s.u.).
Hinter diesem Vorrang der Haftprüfung steht der Grundgedanke des Gesetzgebers, dass zunächst das sachnähere Haftgericht oder das bereits mit der Hauptsache befasste Tatgericht über die Haftfrage entscheiden soll und nicht das Beschwerdegericht (MüKoStPO-Böhm/Werner, 1. Aufl. 2014, § 117 StPO Rn 45).
Hinweis:
Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Beschuldigte bzw. die Verteidigung gehalten wäre, immer zunächst einen Haftprüfungsantrag zu stellen. Stattdessen kann, wenn dies zweckdienlich erscheint, auch direkt mit der Haftbeschwerde gegen den Haftbefehl vorgegangen werden.
Die Haftprüfung bietet den Vorteil, dass der Beschuldigte, sofern die Hauptverhandlung noch nicht begonnen hat (dann gilt § 118 Abs. 4 StPO), eine mündliche Verhandlung erzwingen kann; einem entsprechenden Antrag nach § 118 Abs. 1 StPO ist stattzugeben (Meyer-Goßner/Schmitt, § 118 Rn 1). Das Gericht hat an dieser Stelle keinen Ermessensspielraum.
Hinweis:
Im Haftbeschwerdeverfahren ist dies hingegen anders: Zwar sieht § 118 Abs. 2 StPO auch hier die Möglichkeit vor, mündliche Verhandlung zu beantragen. Das Gericht ist an einen solchen Antrag jedoch nicht gebunden, sondern entscheidet über die Durchführung der mündlichen Verhandlung nach seinem pflichtgemäßen Ermessen (Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung/Graf, 8. Aufl. 2019, § 118 StPO Rn 2 [im Folgenden KK/Bearbeiter]). In der Praxis werden deshalb die allermeisten Haftbeschwerdeverfahren rein schriftlich geführt.
Die auf einen entsprechenden Antrag des Beschuldigten obligatorische mündliche Verhandlung ist einer der Hauptgründe dafür, dass sich in vielen Verfahren eher die Haftprüfung anbietet als die Haftbeschwerde. So ergibt sich für die Verteidigung die Möglichkeit, mit der StA sowie ggf. auch mit dem Gericht nicht nur die Voraussetzungen der Untersuchungshaft, sondern in geeigneten Fällen auch den Stand des Verfahrens und etwaige Strafvorstellungen im direkten Gespräch zu erörtern. Zudem kann sich das Gericht einen persönlichen Eindruck vom Beschuldigten verschaffen, was etwa im Hinblick auf die Frage, ob er hinreichend zuverlässig ist und im Falle einer Außervollzugsetzung die ihm zu erteilenden Auflagen ordnungsgemäß einhalten wird, durchaus hilfreich sein kann.
Hinweis:
Die Vernehmung von Zeugen in der mündlichen Verhandlung kann der Beschuldigte dagegen nicht erzwingen, vielmehr steht dies im Ermessen des Gerichts (Meyer-Goßner/Schmitt, § 118a, Rn 4).
Die Entscheidung über den Haftprüfungsantrag ist grds. am Schluss der mündlichen Verhandlung zu verkünden, das Gericht kann sie jedoch bis zu einer Woche hinausschieben (§ 118a Abs. 4 S. 1 StPO).
Bleibt der Antrag erfolglos, kann der Beschuldigte gegen den Haftfortdauerbeschluss mit der Beschwerde vorgehen. Ein neuerlicher Antrag auf mündliche Haftprüfung kann hingegen nur gestellt werden, wenn die Untersuchungshaft mind. drei Monate andauert und seit der letzten mündlichen Verhandlung mind. zwei Monate vergangen sind (§ 118 Abs. 3 StPO).
Nicht zuletzt aufgrund dieser drohenden Präkludierung darf die Verteidigung die mündliche Haftprüfung nicht einfach „laufen lassen”. Zeichnet sich, etwa aufgrund eines richterlichen Hinweises oder aufgrund eines ungünstigen Verlaufs des Haftprüfungstermins, ab, dass aktuell weder eine Aufhebung noch eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls erreicht werden kann, empfiehlt sich eine Rücknahme des Haftprüfungsantrags. Nicht selten wird eine solche von den Haftrichtern bei mangelnder Erfolgsaussicht auch empfohlen.
Hinweis:
Auf einen solchen möglichen Verfahrensverlauf muss die Verteidigung den Mandanten vor dem Haftprüfungstermin einstimmen, andernfalls geht dieser womöglich mit unrealistischen Erwartungen in den Termin (so zu Recht König in: Müller/Schlothauer/Knauer, Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 3. Au...