Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr besteht, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde Beweismittel manipulieren, auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder andere zu einem solchen Verhalten veranlassen und deshalb die Gefahr droht, dass die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO).
Zu beachten ist dabei, dass das Verhalten des Beschuldigten prozessordnungswidrig und anstößig sein muss (OLG Köln, Beschl. v. 1.5.2017 – 2 Ws 341/17). Das Einwirken auf Beweispersonen begründet Verdunkelungsgefahr deshalb nur dann, wenn es durch unlautere Mittel oder zu unlauteren Zwecken erfolgt, etwa durch Täuschung oder Bedrohung (Meyer-Goßner/Schmitt, § 112 StPO Rn 33). Die bloße Aufforderung an einen Zeugen, von ihm zustehenden Schweigerechten (§§ 52, 55 StPO) Gebrauch zu machen, rechtfertigt die Annahme von Verdunkelungsgefahr daher nicht.
Hinweis:
Die Verdunkelungshandlungen müssen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Hierfür reicht die bloße Möglichkeit der Vornahme solcher Handlungen nicht aus, vielmehr muss die durch bestimmte Tatsachen gestützte Prognose, der Beschuldigte werde Gelegenheit zur Manipulation auch wahrnehmen, hinzukommen (KG, Beschl. v. 30.4.2019 – 4 HEs 10-11/19). Nicht erforderlich ist aber, dass Verdunkelungshandlungen bereits vorbereitet, versucht oder begangen wurden (KG a.a.O.).
Die erforderlichen bestimmten Tatsachen können sich aus dem Verhalten, den Beziehungen und den Lebensumständen des Beschuldigten ergeben (OLG Hamm, Beschl. v. 14.1.2010 – 2 Ws 347/09). Dabei können sein früheres Verhalten, etwa Verdunkelungshandlungen in anderen Verfahren oder auch frühere Verurteilungen wegen Taten, die auf Irreführung und Verschleierung angelegt waren (z.B. Betrug, Bestechung oder Urkundenfälschung), herangezogen werden. Auch kann Verdunkelungsgefahr durch die Deliktsnatur und die Umstände der verfolgten Tat nahegelegt werden (KG, Beschl. v. 30.4.2019 – 4 HEs 10-11/19). Zudem wird sie bei bestimmten Tätergruppen (Bandendelikte, organisierte Kriminalität, kriminelle oder terroristische Vereinigungen, Menschenhandel, Zuhälterei) eher gegeben sein (KK/Graf, § 112 StPO Rn 32).
Hinweis:
Zu beachten ist aber, dass es keine Tatvorwürfe gibt, bei denen generell und ohne weitere Begründung auf Verdunkelungsgefahr geschlossen werden kann (OLG Hamm a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 112 StPO Rn 30).
Beinahe mehr noch als beim Haftgrund der Fluchtgefahr ist bei der Verdunkelungsgefahr im gesamten Verfahren stets zu prüfen, ob der einmal bejahte Haftgrund fortbesteht oder zwischenzeitlich weggefallen ist. So kann von Verdunkelungsgefahr nicht (mehr) ausgegangen werden, wenn die Sache in vollem Umfang aufgeklärt erscheint, insb. aufgrund eines mittlerweile abgelegten umfassenden glaubhaften Geständnisses oder der Beschränkung eines Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch, oder wenn die Beweise in einem Maße gesichert sind, dass der Beschuldigte die Wahrheitsermittlung nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg stören kann (OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.1.2005 – 4 Ws 367/04). Auch kann die Gefahr der Behinderung der Ermittlungen entfallen, wenn wichtige Zeugen zwischenzeitlich (idealerweise richterlich) vernommen wurden.