In den in § 112a StPO aufgeführten Fällen rechtfertigt auch Wiederholungsgefahr die Anordnung der Untersuchungshaft. Dieser Haftgrund taucht in der Praxis insb. in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung auf.
Wiederholungsgefahr ist gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, dass der Beschuldigte vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begehen oder die Straftat fortsetzen werde, die Haft zur Abwendung dieser drohenden Gefahr erforderlich ist und in Fällen des § 112a Abs. 2 StPO eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten ist. Dabei braucht es sich nicht um Verstöße gegen dasselbe Strafgesetz zu handeln, es genügt vielmehr die rechtsethische und psychologische Gleichheit des strafbaren Verhaltens (KK/Graf, § 112a StPO Rn 17). Die neuen Taten müssen zudem erheblich, also zumindest der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein. Dies dürfte bei einer Straferwartung von mind. einem Jahr regelmäßig zu bejahen sein.
Hinweis:
Eine nicht seltene Fehlerquelle stellt die für die Verhängung der Untersuchungshaft erforderliche Gefahrenprognose dar. Hier werden mitunter die aus verfassungsrechtlichen Gründen zu beachtenden strengen Anforderungen (KK/Graf, § 112a StPO, Rn 16) nicht hinreichend beachtet. Die negative Gefahrenprognose darf, insb. wenn der Beschuldigte nicht vorbestraft ist oder frühere Taten bereits mehrere Jahre zurückliegen und er sich seither straffrei geführt hat, nicht vorschnell oder gar allein aufgrund des im Raum stehenden Deliktstyps bejaht werden (vgl. MüKo/Böhm, § 112a StPO Rn 46 f.). Vielmehr ist erforderlich, dass aufgrund bestimmter Tatsachen eine so starke innere Neigung des Beschuldigten zu einschlägigen Taten festgestellt werden kann, dass die Besorgnis begründet ist, er werde die Serie derartiger Taten noch vor einer Verurteilung wegen der Anlasstat fortsetzen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 112a Rn 14).
Zu berücksichtigen sind hierbei insb. Vortaten, die Lebensverhältnisse des Beschuldigten, seine Persönlichkeitsstruktur und sein soziales Umfeld. Serienmäßige Tatbegehung, zeitnahe Verübung weiterer Straftaten nach Haftentlassung oder in Kenntnis eines bereits laufenden Ermittlungsverfahrens sowie generell die alsbaldige Wiederholung von einschlägigen Delikten können Wiederholungsgefahr begründen (KK/Graf, § 112a StPO Rn 19). Eine rechtskräftige einschlägige Vorstrafe ist hingegen nicht erforderlich (Meyer-Goßner/Schmitt, § 112a Rn 15).