Der Kläger im vorliegenden Fall hatte am 20.5.2011 einen Arbeitsvertrag mit einer AG geschlossen. Am 27.6.2011 wurde er als einzelvertretungsberechtigter Vorstand der AG in das Handelsregister eingetragen und war bei der AG bis zum 30.9.2011 tätig. Nachdem über das Vermögen der AG das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, machte der Kläger im Insolvenzzeitraum vom 1.7.2011 bis 30.9.2011 Anspruch auf Insolvenzgeld nach § 165 I 1 SGB III geltend, obwohl er in dieser Zeit überwiegend – bis zum 20.9.2011 – zugleich Vorstand der AG war. Seine Klage hatte in allen drei Instanzen Erfolg (BSG, Urt. v. 3.11.2021 – B 11 AL 4/20 R).
Nur Arbeitnehmer haben einen Insolvenzgeldanspruch. Dieser Begriff wird im SGB III nicht definiert und ist, wie das BSG nunmehr entscheidet, rein arbeitsrechtlich zu verstehen. Die bisherige, hiervon abweichende Rechtsprechung des Senats, die von einem speziellen „arbeitsförderungsrechtlichem Arbeitnehmerbegriff” ausgegangen ist (s. nur BSG, Urt. v. 4.7.2007 – B 11a AL 5/06 R, juris Rn 14), wird ausdrücklich aufgegeben. Zur Begründung hebt das BSG u.a. darauf ab, für die Anspruchsberechtigung beim Insolvenzgeld komme es nicht darauf an, ob es sich bei der geleisteten Tätigkeit um eine versicherungspflichtige Beschäftigung gehandelt hat, da § 165 SGB III I von Arbeitnehmern spreche, nicht jedoch von der Beschäftigung (§ 7 SGB IV). Ferner entspreche dieses Verständnis der dogmatischen Einordnung des Insolvenzgeldes, das keine Versicherungsleistung im engeren Sinne der Arbeitslosenversicherung darstelle, sondern eine umlagefinanzierte Ausgleichsleistung, deren Kosten allein von den Arbeitgebern getragen werde (§§ 358 ff SGB III).
Die Einstufung des Klägers als Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne nimmt das BSG auf der Grundlage der Feststellungen des LSG vor, an die es gebunden ist (§ 163 SGG). Das Gericht verweist auf den zwischen dem Kläger und der AG am 27.5.2011 geschlossenen Vertrag, der den heute in § 611a BGB normierten Merkmalen entspricht. Auf dieser Grundlage wurde ein Arbeitsverhältnis begründet und bis zum 30.9.2011 unverändert fortgeführt. Nach den vom LSG getroffenen Feststellungen sind zwischen dem Kläger und der AG weder im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Bestellung zum Vorstand zum 27.6.2011 noch in der Folgezeit ein separater Anstellungsvertrag oder eine anderweitige schuldrechtliche Vereinbarung abgeschlossen worden.
Das Gericht verweist auf die Rechtsprechung des BAG, wonach bei Arbeitnehmern, die im Rahmen ihrer bestehenden Arbeitsverhältnisse mit einer Kapitalgesellschaft zu deren Organ bestellt werden, zwar in dem Abschluss des Anstellungsvertrags mit der Kapitalgesellschaft im Regelfall zugleich die konkludente Aufhebung des zuvor bestehenden Arbeitsvertrags erblickt werden kann. Bestehen jedoch Anhaltspunkte für einen entgegenstehenden Parteiwillen oder ist etwa die in § 623 BGB vorgeschriebene Schriftform nicht gewahrt, ist davon auszugehen, dass der neue Dienstvertrag nur zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses führt, sodass die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag nach dem Ende der Organstellung wieder aufleben können (BAG, Urt. v. 15.3.2011 – 10 AZB 32/10, NJW 2011, 2684, Rn 12). Nach diesen Maßstäben ist der Kläger im Insolvenzgeldzeitraum ausnahmsweise neben seiner Stellung als Vorstand auch Arbeitnehmer der AG gewesen und damit anspruchsberechtigt.