Im Gegensatz zum Achten Senat, hat der für das öffentliche Dienstrecht zuständige Sechste Senat (BAG, Urt. v. 15.10.2021 – 6 AZR 253/19, NZA 2022, 115; parallel: 6 AZR 254/19, 6 AZR 332/19) in drei parallelen Urteilen unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung („Überstundenzuschlag”: BAG Urt. v. 23.3.2017 – 6 AZR 161/16 und „Überstundenbegriff”: BAG, Urt. v. 25.4.2013 – 6 AZR 800/11) erkannt, dass im TVöD keine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten durch die Regelung von Mehrarbeit und Überstunden erfolgt.
Die Klägerin ist seit 1999 als Pflegekraft in Teilzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden beschäftigt. Sie leistet Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit, die nach einem für den Monat geltenden Dienstplan erbracht wird. Auf das Arbeitsverhältnis findet durch Verweisung in einem Haustarifvertrag der TVöD in der am 19.1.2017 geltenden Fassung aufgrund beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Die Klägerin leistete im Zeitraum Januar bis Juni 2017 sowohl über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus im Dienstplan vorgesehene (geplante) Arbeitsstunden, als auch im Dienstplan nicht vorgesehene (ungeplante) Arbeitsstunden, ohne dabei jedoch die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollbeschäftigten zu überschreiten. Die Beklagte vergütete diese Arbeitsstunden mit dem anteiligen tariflichen Tabellenentgelt. Die Klägerin beansprucht darüber hinaus Überstundenzuschläge auf der Grundlage der §§ 7 Abs. 8 Buchst. c, 8 Abs. 1 S. 1, 2 Buchst. a TVöD-K. Sie meint, diese stünden ihr hinsichtlich der ungeplanten Arbeitsstunden auch dann zu, wenn sie ihre vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit nicht überschreite. Bei den geplanten Arbeitsstunden komme es auf eine Überschreitung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten nicht an. Andernfalls werde sie als Teilzeitbeschäftigte nach nationalem Recht und nach Unionsrecht gegenüber Vollbeschäftigten diskriminiert.
Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des BAG keinen Erfolg. Ausgangspunkt ist die Betrachtung der tarifvertraglichen Regelungen. Der TVöD-K enthält für den Freizeitausgleich und Vergütung von Stunden, die Teilzeitbeschäftigte ungeplant über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus erbringen, eigenständige Regelungen, die sich so sehr von den Regelungen zum Entstehen, dem Ausgleich und der Vergütung von Überstunden bei Vollbeschäftigten unterscheiden, dass keine Vergleichbarkeit mehr gegeben ist. Mit dieser Differenzierung haben die Tarifvertragsparteien ihren durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Deshalb diskriminieren die für Teilzeitbeschäftigte geltenden Regelungen diese nicht und sind wirksam.
Die für Voll- und Teilzeitbeschäftigte maßgebliche Sonderregelung in § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K zur Entstehung von Überstunden bei Beschäftigten, die Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten, verstößt jedoch gegen das Gebot der Normklarheit und ist deshalb unwirksam. Wegen der Unwirksamkeit des § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K ist für sie allein die Regelung zur Mehrarbeit in § 7 Abs. 6 TVöD-K maßgeblich. Diese Bestimmung sieht keine Zahlung von Überstundenzuschlägen für die von der Klägerin zusätzlich geleisteten Stunden, mit der sie ihre vertragliche Arbeitszeit, aber noch nicht die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollbeschäftigen überschritt, vor. Anspruch auf den in § 7 Abs. 7 i.V.m. § 8 Abs. 1 S. 1 und 2 TVöD-K vorgesehenen Überstundenzuschlag hat sie deshalb nicht. Diese Differenzierung zwischen den Gruppen der Voll- und der Teilzeitbeschäftigten ist wirksam, weil für sie völlig unterschiedliche Regelungssysteme des TVöD-K in Bezug auf das Entstehen und den Ausgleich von Mehrarbeit und Überstunden gelten.
Hinweise:
1. |
Eine wichtige Entscheidung für alle, die sich mit öffentlichem Dienstrecht oder der Anlage 33 zu den AVR Caritas befassen. Der Sechste Senat gibt zwei Rechtsprechungslinien auf:
(1) |
Die bisherige, ausschließlich auf den nicht gezahlten Überstundenzuschlag gerichtete Rechtsprechung (BAG Urt. v. 23.3.2017 – 6 AZR 161/16) und |
(2) |
Das in der Entscheidung vom 25.4.2013 (6 AZR 800/11) gefundenen Auslegungsergebnis des Überstundenbegriffs des § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit. Die danach erforderliche Differenzierung zwischen geplanten und ungeplanten Überstunden weicht von der nach § 7 Abs. 7 TVöD-K geltenden Grundregel, nach der nur ungeplante zusätzliche Stunden Überstunden werden können, ab, ohne dass ein solcher Regelungswille der Tarifvertragsparteien im Normtext ausreichend Niederschlag gefunden hat. § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K kann auch kein anderer objektiver Normbefehl entnommen werden. |
|
2. |
Der Senat hat am gleichen Tag in zwei ähnlich gelagerten Verfahren, die allerdings keinen Fall von Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit betrafen, die Revisionen der Klägerinnen ebenfalls zurückgewiesen. |