Ein weiterer Grund für eine vorübergehende technische Störung ist die fehlende Verfügbarkeit des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA).
Hinweis:
Informationen über die Verfügbarkeit des beAs werden unter https://portal.beasupport.de/verfuegbarkeit bzw. https://www.brak.de/fileadmin/02_fuer_anwaelte/bea/beA-Störungsdokumentation_02.pdf veröffentlicht.
Es stellt keine vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung dar, wenn es zu Verzögerungen bei der Einrichtung des beAs kommt, da eine vollständige Neuinstallation des Computersystems nebst Konfiguration der Sicherungssoftware notwendig ist, um das beA nutzen zu können (BGH, Beschl. v. 27.9.2022 – 5 StR 328/22 – juris Rn 1 ff.).
Nicht ausreichend ist der Vortrag, dass die Freischaltung des beAs – obwohl rechtzeitig beantragt – nicht rechtzeitig erfolgt sei (ArbG Frankfurt, Urt. v. 1.4.2022 – 24 Ca 7293/21 – juris Rn 3, 10).
Noch ungeklärt ist, welche Folgen angekündigte Wartungsarbeiten am beA haben. Es wird vertreten, dass diese bei der Ermittlung der Frist zu berücksichtigen seien und die Einreichung ggf. früher vorzunehmen sei (Jungbauer, DAR 2022, 52, 54). Dies überzeugt jedoch nicht. Durch angekündigte Wartungsarbeiten würde es sonst zu einer Fristverkürzung kommen. Sie stellen eine vorübergehende technische Störung dar und machen die Ersatzeinreichung zulässig (Biallaß, in: Ory/Weth, a.a.O., § 130d ZPO, Rn 53; Biallaß, NJW 2023, 25, 26).
Praxistipp:
Da die Frage noch nicht obergerichtlich entschieden wurde, sollte – wenn es möglich ist – eine Einreichung aus Vorsichtsgesichtspunkten trotzdem vor Beginn der Wartungsarbeiten über den elektronischen Rechtsverkehr vorgenommen werden (so auch schon Biallaß, NJW 2023, 25, 26).
Die nicht erfolgte Erstlieferung der korrekten Signaturkarte stellt keine vorübergehende technische Störung dar (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 10.3.2022 – 19 E 147/22 – juris Rn 3 ff.).
Es wird diskutiert, ob Rechtsanwälte zwei elektronische Übermittlungswege parallel vorhalten müssen (dafür Kulow, NJW 2021, 2310; Siegmund, NJW 2021, 3617, 3618). In Betracht kommen die Nutzung der beA-Webanwendung, der Versand per beA über eine Kanzleisoftware, Einreichungen mit qualifizierter elektronischer Signatur per EGVP (hierzu muss ein EGVP-Client beschafft werden) oder Einreichungen per DE-Mail (hierzu muss ein DE-Mail-Konto des Einreichers vorhanden sein). Eine Pflicht zur Bereithaltung einer Sendemöglichkeit per EGVP oder per DE-Mail besteht nach Ansicht der Verf. nicht. Für den Fall der Nichtverfügbarkeit des beAs hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der Ersatzeinreichung nach den allgemeinen Vorschriften vorgesehen (so schon Biallaß, NJW 2023, 25, 26).
In § 130a Abs. 3 ZPO werden jedoch der Versand mit einer qualifizierten elektronischen Signatur, der gem. § 4 Abs. 1 ERVV über einen sicheren Übermittlungsweg oder per EGVP möglich ist, und der Versand über einen sicheren Übermittlungsweg gleichgestellt. Hier kann sich ein Rechtsanwalt nach der bisherigen Rechtsprechung nicht auf die Kenntnis eines dieser Übermittlungswege beschränken. Verfügt ein Rechtsanwalt vorübergehend nur über eine beA-Karte ohne Signierfunktion, liegt keine vorübergehende technische Unmöglichkeit vor, da eine Einreichung noch über einen sicheren Übermittlungsweg mit einfacher elektronischer Signatur nach § 130a Abs. 3 Alt. 2 i.V.m Abs. 4 ZPO erfolgen kann (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.3.2022 – I-12 U 61/21 – juris Rn 12).
Hinweis:
Er wird empfohlen, ein weiteres Zugangsmittel (Softwarezertifikat oder beA-Karte) vorzuhalten oder einen Vertreter zu berechtigen (von Seltmann, BRAK-Magazin, Heft 6/2021, 10, 11).
Soweit ersichtlich ist noch komplett ungeklärt, wie neu zugelassene Rechtsanwälte sich bis zur ersten Übersendung ihrer beA-Karte verhalten sollten.