Die Parteien streiten über die Pfändbarkeit einer Corona-Prämie. Hierbei handelt es sich gem. § 150a Abs. 1 SGB XI um eine Sonderleistung, die zugelassene Pflegeeinrichtungen – sowie die in Satz 2 der Vorschrift erwähnten Arbeitgeber – ihren Beschäftigten im Jahr 2020 zum Zweck der Wertschätzung für die besonderen Anforderungen während der Corona-Pandemie zu zahlen haben. Nähere Regelungen hierzu enthalten die Abs. 2–6, 8 der Bestimmung.
Vorliegend war über das Vermögen der Arbeitnehmerin im Jahr 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt worden. Diese möchte den Lohn nebst Corona-Prämie zugunsten der Gläubiger pfänden. Der Beklagte betreibt eine Gaststätte. Er zahlte an seine Arbeitnehmerin (im Zwangssollstreckungsverfahren: Schuldnerin), die als Küchenhilfe eingestellt war, aber auch als Thekenkraft eingesetzt wurde, im September 2020 neben dem Monatslohn nebst Sonntagszuschlägen eine Corona-Prämie i.H.v. 400 EUR. Für den Monat September 2020 errechnete die Klägerin aus dem Monatslohn zzgl. der Corona-Prämie als pfändungsrelevanten Nettoverdienst einen Betrag i.H.v. 1.440,47 EUR und forderte den Beklagten erfolglos zur Zahlung eines aus ihrer Sicht pfändbaren Betrags i.H.v. 182,99 EUR netto auf.
Mit ihrer Klage vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, dass die vom Beklagten an die Schuldnerin gezahlte Corona-Prämie pfändbar sei. Anders als im Pflegebereich, wo der Gesetzgeber in § 150a Abs. 8 S. 4 SGB XI ausdrücklich die Unpfändbarkeit der Corona-Prämie bestimmt habe, bestehe für eine Sonderzahlung wie hier keine Regelung über Unpfändbarkeit. Der Gesetzgeber habe insoweit lediglich bestimmt, dass die Zahlung bis zu einer Höhe von 1.500 EUR steuer- und abgabenfrei sei (§ 3 Nr. 11a EstG). Die vom Beklagten gezahlte Corona-Prämie sei auch keine nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbare Erschwerniszulage.
Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen (BAG, Urt. v. 25.8.2022 – 8 AZR 14/22, NJW 2023, 312). Zahlt ein Arbeitgeber, der nicht dem Pflegebereich angehört, freiwillig an seine Beschäftigten eine Corona-Prämie, ist diese Leistung als Erschwerniszulage nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar, wenn ihr Zweck in der Kompensation einer tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liegt, soweit die Prämie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt. Die Corona-Prämie gehört nach § 850a Nr. 3 ZPO nicht zum pfändbaren Einkommen der Schuldnerin. Der Beklagte wollte mit der Leistung eine bei der Arbeitsleistung der Schuldnerin tatsächlich gegebene Erschwernis kompensieren. Die vom Beklagten gezahlte Corona-Prämie überstieg auch nicht den Rahmen des Üblichen i.S.v. § 850a Nr. 3 ZPO.
Nach Auffassung des BAG trägt § 150a Abs. 8 S. 4 SGB XI sowohl systematisch als auch vom Normzweck keinen Umkehrschluss. Die Norm statuiert nicht die Regel, sondern die Sondervorschrift für Beschäftigte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen und die diesem Personenkreis zum Zweck der Wertschätzung für die besonderen Anforderungen während der der Corona-Pandemie – und insoweit auch teilweise unabhängig von einer besonderen Belastung bei der bzw. durch die Erbringung der Arbeitsleistung – zugesprochene Prämie. Die Bestimmung gibt damit die gesetzlich niedergelegte Typisierung einer Erschwerniszulage wieder, mit der Festlegung der Unpfändbarkeit hat der Gesetzgeber keine Aussagen getroffen im Hinblick auf eine etwaige Pfändbarkeit von Corona-Prämien, die vom Arbeitgeber freiwillig an Beschäftigte außerhalb des Anwendungsbereichs des § 150a SGB XI gezahlt werden.
Die gezahlte Prämie ist zudem als Erschwerniszulage anzusehen: Vorliegend war die Schuldnerin bei Ausübung ihrer Tätigkeit für den Beklagten einer Corona bedingten tatsächlichen Erschwernis ausgesetzt. Sie war (auch) im September 2020 nicht nur als Küchenhilfe, sondern auch als Thekenkraft mit unmittelbarem Kontakt zur Kundschaft tätig. Es bestand für sie eine konkrete höhere Infektionsgefahr, als wenn sie die Tätigkeit im Betrieb des Beklagten nicht verrichtet hätte, zumal die Kunden zum Verzehr von Getränken und Speisen ihre Masken – jedenfalls vorübergehend – ablegen mussten. Zudem war die Schuldnerin bei der Erbringung der Arbeitsleistung einer besonderen psychischen Belastung ausgesetzt, da es zum damaligen Zeitpunkt kein wirksames Medikament gegen diese Erkrankung gab und auch keine Möglichkeit bestand, sich impfen zu lassen.
Hinweise:
1. Vorsicht: Die Zwecksetzung der Kompensation einer Erschwernis ist entscheidend. Das muss aus der Erklärung anlässlich der Zahlung erkennbar sein. Das gilt auch bei gerichtlichen Vergleichen.
2. Voraussetzung für die Prämienzahlung ist grds. eine dreimonatige Beschäftigung im Bemessungszeitraum (1.3.2020 bis 31.10.2020) nach näherer Maßgabe von § 150a Abs. 2–6 und 8 SGB XI. Unterbrechungen der Tätigkeit im Bemessungszeitraum sind (nur) nach näherer Bestimmung von Abs. 5 der Norm unbeachtlich, so u.a. bei einer Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses von bis zu 14 Kalendertagen. Nach Auffassung des LAG Hamm (Urt...