Beschränkt sich eine Bestimmung in einem Energielieferungsvertrag über die Berechnung des Jahresverbrauchspreises ausschließlich auf die Formulierung „Grundpreis: ... EUR/Monat (inkl. 19 % MwSt.) – Arbeitspreis: ... EUR/Monat (inkl. 19 % MwSt.) – Neukundenbonus: x % (Jahresumsatz)”, kann diese Klausel nach Ansicht des BGH (Urt. v. 27.7.2023 – IX ZR 267/20, 3. Ls., Ring, WuB 2023, 453) bei der Verwendung gegenüber Verbrauchern dahin auszulegen sein, dass es sich bei dem Neukundenbonus um einen einmaligen, nicht an eine Mindestlaufzeit geknüpften Nachlass (Rabatt) auf den Jahresverbrauchspreis handelt.
Der BGH qualifiziert die Regelungen der Energielieferungsverträge zu Neukundenboni zutreffend als nach § 2 Abs. 4 S. 2 GasGVV respektive § 2 Abs. 4 S. 2 StromGVV zulässige ergänzende Formularvertragsbestimmungen, die uneingeschränkt der AGB-Kontrolle unterworfen sind.
Damit ist eine objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner – vornehmlich am Wortlaut – orientierte Auslegung vorzunehmen unter Berücksichtigung des mit dem Klauselwerk verfolgten Zwecks und des Sinnzusammenhangs der Klauseln, sofern diese Aspekte für die Kunden erkennbar sind (BGH, Urt. v. 31.3.2021 – IV ZR 221/10). Maßgeblich für die Interpretation einer Klausel ist der gesamte Formularvertrag. Die in Rede stehende Klausel darf nicht aus einem ihre Beurteilung mitbeeinflussenden Zusammenhang herausgerissen werden. Hingegen dürfen äußere Umstände, die zum Vertragsschluss geführt und für einen verständigen und redlichen Vertragspartner Anhaltspunkte für eine bestimmte Vertragsauslegung gegeben haben, berücksichtigt werden. Da AGB nur einheitlich auszulegen sind, können in diesem Zusammenhang nur allgemeine Umstände Berücksichtigung finden, die auf einen verallgemeinerbaren Willen des Verwenders schließen lassen. Verbleiben auch nach einer dergestalt vorgenommenen Auslegung, d.h. unter Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, noch Zweifel, und sind zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar, gelangt die sich zulasten des Klauselverwenders auswirkende Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung:
Zweifel bei der Auslegung von AGB gehen nämlich zu Lasten des Verwenders. Keine Berücksichtigung finden jedoch Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend sind, mithin für die an solchen Geschäften typischerweise Beteiligten nicht ernsthaft in Betracht kommen. Infolgedessen ist bei einer mehrdeutigen Klausel von den möglichen Auslegungen jene zugrunde zu legen, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt. Dies liegt darin begründet, dass die scheinbar „kundenfeindlichste Auslegung” im Ergebnis die dem Kunden günstigste Auslegung ist. Wenn die „kundenfeindlichste Auslegung” zur Unwirksamkeit der Klausel und somit zu einer Begünstigung des Kunden führt, ist diese Auslegung maßgeblich. Nur in dem Fall, dass sich die Klausel nach jeder in Betracht kommenden Auslegung als wirksam erweist, ist bei der Anwendung der Klausel die dem Kunden günstigste Auslegung maßgeblich.
Zutreffend ist, so der BGH, dass – selbst wenn von einer Mindestlaufzeit von einem Jahr auszugehen wäre – ein verständiger und redlicher Verbraucher davon ausgehen müsste, dass dann nur eine von ihm ausgesprochene oder veranlasste Kündigung vor Ablauf dieser Zeit der Abschlussprämie entgegensteht. Hingegen kann – wie im konkreten Fall geschehen – die tatsächliche Einstellung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin im Rahmen einer Insolvenz und eine Schlussabrechnung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht eine solche Folge zeitigen. Ansonsten hätte es der AGB-Verwender in der Hand, durch ein tatsächliches Verhalten oder die Erklärung der Kündigung vor Jahresablauf der Abschlussprämie für vertragstreue Kunden die Grundlage zu entziehen. Ein solches Verständnis der Vereinbarung sei fernliegend.