Wegen der Lücke im Zivilrechtsschutz des Fahrers (vgl. oben I. 2.) wird zunehmend eine Fahrerschutzversicherung (dazu: Schwab, Fahrerschutzversicherung, 2014; Maier r+s 2014, 219; Becker zfs 2015, 10) angeboten. Die Bedingungen der einzelnen Gesellschaften weichen zurzeit erheblich voneinander ab. Nachdem aber diese Versicherungssparte als selbständige Kraftfahrtversicherung in die neueste Fassung der GDV-Musterbedingungen zu AKB aufgenommen wurde (A.5 AKB), ist für die Zukunft eine weitgehende Angleichung der verschiedenen Bedingungen zu erwarten.
1. Versichertes Risiko
Versichert sind die Personenschäden eines berechtigten Fahrers, die dieser beim Lenken des versicherten Fahrzeugs erleidet (A.5.1 AKB). Dieser Begriff ist enger als der des "Gebrauchs" in den übrigen Sparten der Kraftfahrtversicherung. Insbesondere für die Bereiche des Ein- oder Aussteigens und der Ladetätigkeiten besteht kein Versicherungsschutz. Darauf wird in den Musterbedingungen auch klarstellend hingewiesen. Von dem Sonderfall abgesehen, dass ein Fahrer sein Fahrzeug (an)schiebt und gleichzeitig durch das geöffnete Fenster lenkt, dürfte Versicherungsschutz nur bestehen, wenn der Fahrer sich im Fahrzeug befindet. Der Vorgang des Lenkens wird nicht unterbrochen, wenn im Rahmen einer Fahrt verkehrsbedingt angehalten wird (etwa vor einer Ampel oder wegen eines Staus) und das Fahrzeug nicht verlassen wird. Bei einer längeren Pause außerhalb des eigentlichen Verkehrsgeschehens besteht dagegen kein Versicherungsschutz.
2. Versicherungsleistungen
Nach A.5.4.1 AKB wird der unfallbedingte Personenschaden bis zur Höhe der vereinbarten Versicherungssumme (A.5.4.3 AKB) so ersetzt, als ob ein Dritter schadenersatzpflichtig wäre. Der Fahrer wird so gestellt wie die übrigen Mitfahrer. Da für die Leistung abstrakt auf einen schadenersatzpflichtigen Dritten abgestellt wird, beeinträchtigt ein Verschulden des Fahrers seine Versicherungsansprüche nicht. Sie entfallen erst bei Vorsatz (§ 81 Abs. 1 VVG).
Hinweis:
Hier sind abweichende Bedingungen auf dem Markt. Zum Teil wird zwar auf den Einwand grober Fahrlässigkeit (§ 81 Abs. 2 VVG) verzichtet, dieser Verzicht dann aber wieder für die Fälle von Alkohol, Drogen und grober Verkehrsverstöße eingeschränkt und damit deutlich entwertet. In einigen Bedingungen soll der Verzicht auch dann nicht gelten, wenn der vorgeschriebene Sicherheitsgurt nicht angelegt war.
Die Musterbedingungen schränken den Umfang des zu ersetzenden Personenschadens nicht ein, weisen aber auf die Möglichkeit derartiger Einschränkungen in den Verträgen der einzelnen Versicherer hin.
Solche Einschränkungen bestehen vor allem in folgenden Bereichen:
- Schmerzensgeld wird zum Teil ganz ausgeschlossen oder nur unter zusätzlichen Voraussetzungen (etwa mehrtägiger Krankenhausaufenthalt) zugesagt,
- Ausschluss der Kosten eines vom Versicherungsnehmer oder Versicherten beauftragten Rechtsanwalts,
- höhenmäßige Beschränkung des Ersatzes von Verdienstausfall.
3. Subsidiarität des Leistungsversprechens
Nach allen Bedingungen besteht ein Anspruch aus der Fahrerschutzversicherung nur dann, wenn und soweit der Fahrer keine durchsetzbaren vertraglichen oder gesetzlichen Ansprüche gegen Dritte (Schädiger, Haftpflicht-, Kranken-, Sozialversicherung, Arbeitgeber) hat (A.5.4.2 AKB). Es handelt sich letztlich um eine Ausfallversicherung.
Beispiel:
Besteht wegen eines Mitverschuldens des Fahrers oder der Betriebsgefahr des von ihm gelenkten Fahrzeugs nur ein Anspruch gegen Dritte zu 60 %, können die restlichen 40 % aus der Fahrerschutzversicherung geltend gemacht werden.
Zu dem Kreis der vorrangig Verpflichteten gehört nicht der im Innenverhältnis haftungsfreie Pflichthaftpflichtversicherer des Schädigers. Dessen Leistungsfreiheit ist in § 117 Abs. 3 S. 2 VVG gesetzlich festgeschrieben und kann nicht durch eine vertragliche Subsidiaritätsklausel abgeändert werden (MüKo-VVG/Schneider § 117 Rn. 41; Prölss/Martin/Knappmann, a.a.O., § 117 Rn. 31; anders Heinrichs DAR 2011, 569).
Ansprüche gegen Dritte gehen nur dann vor, wenn sie erfolgsversprechend durchgesetzt werden können. Verlangt werden billigerweise zumutbare Anstrengungen. Dazu gehören eine schriftliche Geltendmachung und sicher auch mehrfaches Nachfassen und Mahnungen. Die Beauftragung eines Anwalts und die gerichtliche Geltendmachung können nicht verlangt werden (Maier r+s 2014, 221), es sei denn, der Versicherer erklärt sich bereit, für die Kosten einzustehen.
Soweit der Versicherer leistet, gehen inhaltsgleiche Ersatzansprüche gegen Dritte nach § 86 Abs. 1 VVG auf ihn über (OLG Koblenz r+s 2014, 223).
Hinweis:
Das Gesetz spricht zwar nur von Ersatzansprüchen des Versicherungsnehmers. Die Vorschrift ist aber nach allgemeiner Meinung auch auf Versicherte anzuwenden.
Richtet sich der Schadenersatzanspruch gegen eine Person, die mit dem Fahrer oder dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebt, ist der Übergang auf Vorsatz beschränkt (§ 86 Abs. 3 VVG). Soweit der gesetzliche Forderungsübergang ausgeschlossen ist, kann sich der Versicherer auch nicht auf die Subsidiarität seiner Leistungsverpflichtung beru...