Das Protokoll hat Beweiskraft bezüglich der wesentlichen Vorgänge der Verhandlung (§§ 160 Abs. 2, 165, 415 Abs. 1 ZPO). Hieraus ergibt sich häufig ein "Kampf um das Protokoll" (Geipel/Prechtel MDR 2011, 336, 339): Was im Protokoll steht, gilt als stattgefunden; was nicht im Protokoll steht, gilt als nicht stattgefunden. Vergisst der Richter, etwas zu diktieren, ist es Aufgabe des Rechtsanwalts, zu beantragen, dass es ergänzt wird. Diktiert der Richter etwas falsch, muss der Rechtsanwalt Korrektur beantragen (vertiefend Dötsch MDR 2014, 1122–1124).
Rügen und Beanstandungen muss der Rechtsanwalt unbedingt protokollieren lassen. Versäumt der Rechtsanwalt, bei Verletzung einer verzichtbaren Verfahrensvorschrift über den Prozessablauf seine Verfahrensrüge zu Protokoll zu bringen, verliert seine Partei das Recht auf diese Rüge und kann kein Rechtsmittel mehr darauf stützen (§ 295 Abs. 1 ZPO). Dies gilt beispielsweise bei einer Parteivernehmung ohne vorherigen Beweisbeschluss (entgegen § 450 Abs. 1 S. 1 ZPO). Beanstandet der Rechtsanwalt bei einem Kollegialgericht Anordnungen des Vorsitzenden oder Fragen eines Gerichtsmitglieds, muss das Gericht durch Beschluss förmlich entscheiden, wie es mit der Beanstandung umgeht (§§ 140, 329 Abs. 1 ZPO). Der Beschluss muss in das Protokoll aufgenommen werden (§ 160 Abs. 3 Nr. 6 ZPO).
Erteilt das Gericht Hinweise, sollte der Rechtsanwalt darauf hinwirken, dass sie in das Protokoll aufgenommen werden – und zwar auch solche Hinweise, die das Gericht der Gegenseite erteilt (§ 139 Abs. 4 ZPO). Das Gericht kann von der in den Hinweisen bekundeten Auffassung später nicht mehr ohne weiteres abrücken.
Hinweis:
Will das Gericht abweichend von einem einmal erteilten Hinweis urteilen, muss es einen erneuten Hinweis erteilen.
Es muss den Verfahrensbeteiligten die Änderung seiner Auffassung mitteilen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme geben, sonst ist das Urteil wegen Verletzung rechtlichen Gehörs anfechtbar (BGH, Beschl. v. 29.4.2014 – VI ZR 530/12). Dies ist vor allem bei Richterwechseln von Bedeutung.
Versäumt der Rechtsanwalt, für die korrekte Protokollierung wesentlicher Äußerungen und Vorgänge der mündlichen Verhandlung einzutreten, ist dieser Fehler häufig irreparabel. Das Gericht kann gem. § 164 Abs. 1 ZPO Unrichtigkeiten des Protokolls jederzeit berichtigen. Auf eine solche Berichtigung ist nicht zu hoffen, wenn der Richter schon in der Verhandlung bewusst anders protokolliert. Gerade bei kontroversem Verhandlungsverlauf ist die Bereitschaft der Richter, das Protokoll im Nachhinein zu ändern, erfahrungsgemäß gering, zumal dann mit dem Widerstand der Gegenseite zu rechnen ist.
Praxishinweis:
Der Rechtsanwalt muss deshalb in der mündlichen Verhandlung sofort einen Antrag stellen, das Protokoll zu berichtigen oder einen bestimmten Vorgang oder eine Rüge, die er für erheblich hält, in das Protokoll aufzunehmen.
Das Gericht kann diesen Antrag ablehnen, muss aber zumindest seine Entscheidung ins Protokoll aufnehmen, wodurch im Protokoll dokumentiert ist, dass über den Protokollinhalt an dieser Stelle kein Einvernehmen besteht (§ 160 Abs. 4 ZPO).
Hält ein Richter dieses Verfahren nicht ein und setzt sich über eine Beanstandung hinweg, ohne über sie zu entscheiden und dies ins Protokoll aufzunehmen, muss der Rechtsanwalt umgehend namens seiner Partei diesen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen (vgl. Baumbach/Hartmann, ZPO, 71. Aufl. 2013, § 42 "Protokollierung"). Lässt der Rechtsanwalt sich weiter ohne Befangenheitsantrag auf die Verhandlung ein, verliert seine Partei das Ablehnungsrecht (§ 43 ZPO).