1. Schriftsatznachlass
Kann eine Partei zu einem erst in der Verhandlung erteilten Hinweis nicht sofort Stellung nehmen und lehnt sie es deshalb ab, einen Antrag zu stellen, so muss das Gericht vertagen und kann kein Versäumnisurteil erlassen (OLG Köln, Beschl. v. 4.1.2000 – 6 W 82/99). Gewährt das Gericht keinen Schriftsatznachlass, muss es die mündliche Verhandlung wieder eröffnen, wenn eine Partei in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz auf den Hinweis hin Erhebliches vorträgt (BGH, Beschl. v. 25.5.2009 – II ZR 99/08).
Trägt die Gegenseite im oder kurz vor dem Termin Neues vor, z.B. durch einen neuen Schriftsatz, sollte Schriftsatznachlass für Erklärungen zum Vorbringen des Gegners beantragt werden (§ 283 ZPO).
Praxishinweis:
Stellt der Rechtsanwalt einen Antrag auf Schriftsatznachlass, sollte er darauf bestehen, dass dieser Antrag protokolliert wird, und zwar auch dann, wenn das Gericht gedenkt, ihn abzulehnen.
2. Verletzung rechtlichen Gehörs
Der übergangene Antrag auf Schriftsatznachlass markiert die Verletzung rechtlichen Gehörs und bereitet so ein späteres Berufungs- oder Revisionsverfahren vor. Insbesondere sollte sich der Rechtsanwalt vom Antrag auf Schriftsatznachlass nicht durch die verbreitete Fehlargumentation abhalten lassen, es handele sich nur um einen "rechtlichen" Hinweis oder der Schriftsatz enthalte nur "rechtliche" Ausführungen. Auch zu rechtlichen Gesichtspunkten muss das Gericht Gelegenheit zur Äußerung geben (§ 139 Abs. 2 ZPO), denn auch sie können erfordern, den Tatsachenvortrag und die Beweisangebote zu ergänzen oder andere Anträge zu stellen.
3. Verspätete Stellungnahme
Gibt eine Partei eine verspätete Stellungnahme ab, legt etwa der Beklagte die Klageerwiderung erst im Termin vor, kann von der Antwort der Gegenpartei abhängen, ob das Gericht die Stellungnahme als verspätet zurückweisen darf. Nur wenn die Stellungnahme im Widerspruch zu erheblichem Sachvortrag der Gegenpartei steht oder die Gegenpartei einer erheblichen Stellungnahme entgegen tritt – sei es im Termin oder im nachgelassenen Schriftsatz – und dadurch eine Verzögerung eintritt, etwa weil eine Beweisaufnahme erforderlich wird, darf das Gericht den verspäteten Sachvortrag nach § 296 Abs. 1 ZPO nicht zulassen oder kann es ihn nach § 296 Abs. 2 ZPO zurückweisen.
Hinweis:
Verkündet das Gericht sogleich ein Urteil, in dem es neuen Sachvortrag als verspätet unberücksichtigt lässt, bevor der Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme erhält und klar ist, dass eine Verzögerung eintreten würde, beruht das Urteil auf dem Verfahrensfehler fehlender Aufklärung und ist durch Berufung anfechtbar. Denn allein das Erfordernis, einen Schriftsatznachlass zu gewähren und dadurch nicht im Termin selbst oder kurz darauf eine Entscheidung verkünden zu können, stellt keine Verzögerung i.S.d. § 296 ZPO dar (BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 217/83; Schneider, Die Klage im Zivilprozess, 3. Aufl. 2007, S. 291 f.).
4. Doppelter Schriftsatznachlass
Ein doppelter Schriftsatznachlass stellt einen unzulässigen Übergang ins schriftliche Verfahren dar (Schneider NJW-Spezial 2014, 539). Sollen beide Parteien Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme erhalten, muss das Gericht mit ihrer Zustimmung förmlich ins schriftliche Verfahren übergehen (§ 128 Abs. 2 S. 1 ZPO) oder nach den Stellungnahmen erneut mündlich verhandeln, sonst ist das Urteil durch Berufung bzw. Revision anfechtbar (OLG Köln, Urt. v. 18.3.1987 – 2 U 99/86, NJW-RR 1987, 1152).