a) Allgemeines
Nach § 344 Abs. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG ist die Rechtsbeschwerde nur dann ordnungsgemäß begründet, wenn ein Rechtsbeschwerdeantrag gestellt und dieser Antrag ordnungsgemäß begründet wird. Nach § 337 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG kann die Begründung der Rechtsbeschwerde nur auf eine Gesetzesverletzung gestützt werden. Zu den Rechtsnormen, deren Verletzung gerügt werden kann, gehören bei den im Ordnungswidrigkeitenverfahren häufigen Blankettatbeständen auch Verwaltungsanordnungen (KK-OWiG-Senge, vor § 1 Rn. 15). Bei der Begründung ist gem. § 344 Abs. 2 StPO – wie bei der Revision – zwischen der Sachrüge und der Verfahrensrüge zu unterscheiden. Nach den Erfahrungen in der Praxis sind die hierfür geltenden Regeln den Verteidigern vielfach nicht hinreichend klar (vgl. dazu i.Ü. Burhoff/Kotz/Kotz, RM, Teil A Rn. 1529 ff.; Burhoff/Junker, OWi, Rn. 3164 ff.).
Praxishinweis:
Um einen schweren Verteidigerfehler handelt es sich, wenn der Verteidiger neben der Verfahrensrüge nicht auch zumindest (vorsorglich) die allgemeine Sachrüge erhebt (Burhoff StV 1997, 432), selbst wenn er nur Verfahrensverstöße geltend machen will. Denn nur die Sachrüge eröffnet dem Rechtsbeschwerdegericht den umfassenden Zugang zum Urteil und damit ggf. auch den Zugang zu Urteilsstellen, die für die Verfahrensrüge bedeutsam sein können (st. Rspr., vgl. u.a. BGHSt 38, 302; 38, 372; BGH NStZ 1996, 145; StraFo 2008, 332; u.a. BGH, Beschl. v. 26.3.2008 – 2 StR 61/08; OLG Brandenburg NStZ 1997, 612; OLG Celle StRR 2012, 424 = StV 2013, 12 [Ls.]; OLG Hamm StraFo 2001, 244; StRR 2008, 308; 2008, 346; Meyer-Goßner/Schmitt, § 344 Rn. 20). Durch die zusätzlich erhobene Sachrüge kann somit der Tatsachenvortrag zur Verfahrensrüge um den Tatsachenstoff des Urteils ergänzt werden und das Rechtsbeschwerdegericht hat beides im Zusammenhang zu würdigen.
Die unzutreffende oder auch widersprüchliche Einordnung des Rechtsbeschwerdeangriffs als Verfahrens- oder Sachrüge ist dann unbeachtlich, wenn sich aus der Begründungsschrift – durch Auslegung – deutlich ergibt, welche Rüge gemeint ist (u.a. BGH NJW 2013, 3191; Urt. v. 21.11.2006 – 1 StR 392/06; Beschl. v. 1.8.2013 – 2 StR 242/13 ["vollumfänglich" nicht ausreichend]; Beschl. v. 3.12.2014 – 4 StR 512/14; KG, Beschl. v. 13.10.2011 – 3 Ws (B) 356/11; OLG Bamberg NZV 2011, 44 m. Anm. Gieg VRR 2010, 348; NStZ-RR 2012, 83; zur Auslegung einer Revision der StA BGH NStZ-RR 2014, 285). Entscheidend ist nicht die Bezeichnung der Rüge, sondern ihre wirkliche rechtliche Bedeutung, wie sie dem Sinn und Zweck des Vorbringens des Angeklagten zu entnehmen ist (KG, OLG Bamberg, jeweils a.a.O.). Soweit das Rechtsmittelvorbringen dies erlaubt, kann der als Sachrüge bezeichnete Vortrag daher auch unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensrüge geprüft werden (KG a.a.O.; ähnlich auch noch OLG München NJW 2010, 1826 [Auslegung einer "Inbegriffsrüge" als Verfahrensrüge]).
b) Rechtsbeschwerdeantrag
Notwendig ist auch im Bußgeldverfahren die im Rechtsbeschwerdeantrag enthaltene Erklärung, inwieweit die Entscheidung des AG angefochten und deren Aufhebung beantragt wird. Zwar ist das Fehlen eines Antrags unschädlich, wenn das Ziel der Rechtsbeschwerde aus der Begründungsschrift und dem bisherigen Verfahrensablauf erkennbar ist (BGH NStZ 1990, 96; NStZ-RR 2000, 38 [K]; 2010, 104 [Ci/Zi]; Beschl. v. 22.4.2009 – 1 StR 131/09; OLG Hamm StV 1982, 170; OLG Düsseldorf NZV 1988, 195 f.), jedoch sollte in der Praxis der Verteidiger aus Gründen der Klarheit auf einen ordnungsgemäßen Rechtsbeschwerdeantrag achten. Denn es kann Fallgestaltungen geben, in denen es unklar bleibt, was der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde erstrebt. So führt das Fehlen eines ausdrücklichen Antrags z.B. dann zur Unzulässigkeit, wenn bei einer Verurteilung wegen zweier Taten einerseits ohne ausdrückliche Einschränkung die Verletzung des sachlichen Rechts gerügt wird, andererseits die Rechtsbeschwerdebegründung sich aber nur mit einer der beiden Taten befasst (BayObLG DAR 1985, 247).
c) Rechtsbeschwerdebegründung
aa) Allgemeines
Eine Begründung der Rechtsbeschwerde ist unerlässlich, sonst ist sie unzulässig (vgl. OLG Karlsruhe VRS 64, 4 m.w.N.; vgl. auch Gribbohm NStZ 1983, 97 ff.). Gerügt werden können nur Rechtsfehler. Die tatsächlichen Feststellungen überprüft das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich nicht. Deshalb kann eine Rechtsbeschwerde, die sich darin erschöpft, die vom AG getroffenen tatsächlichen Feststellungen anzugreifen, etwa indem nur die vom AG vorgenommene Beweiswürdigung angegriffen wird, unzulässig sein (KG VRS 65, 212 f.; Göhler/Seitz, § 79 Rn. 27b). Geltend gemacht werden können mit der Rechtsbeschwerde auch die sog. absoluten Revisionsgründe des § 338 StPO (vgl. im einzelnen KK-OWiG-Senge, § 79 Rn. 109 m.w.N.; Burhoff/Kotz/Junker, RM, Teil A Rn. 2783 ff.).
bb) Frist
Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss nach § 345 Abs. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG binnen eines Monats erfolgen. Diese Frist beginnt i.d.R. erst mit der Zustellung des schriftlich begründeten Urteils. Für die Berechnung der Frist gelten die allgemei...