Von größerer praktischer Bedeutung als die Zulassung zur Fortbildung des Rechts ist die zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
aa) Allgemeines
Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, wenn sonst schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen würden. Dabei kommt es darauf an, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat. Bei einer Fehlentscheidung, die sich nur im Einzelfall auswirkt, ist die Einheitlichkeit der Rechtsprechung noch nicht gefährdet, selbst wenn der Rechtsfehler offensichtlich ist (vgl. u.a. OLG Koblenz NJW 1990, 2398; OLG Hamm NJW 1990, 2369; Göhler/Seitz, § 80 Rn. 5 m.w.N.; zu allem auch Burhoff/Junker, OWi, Rn. 3405 ff.). Hinzukommen muss, dass die Fehlentscheidung in einer grundsätzlichen Frage getroffen ist, dass sie schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsanwendung auslösen würde oder dass ohne die höchstrichterliche Entscheidung mit weiteren Fehlentscheidungen in gleichgelagerten Fällen gerechnet werden kann (OLG Düsseldorf VRS 78, 140; OLG Koblenz VRS 68, 227; zur sog. Wiederholungsgefahr s.a. KG NJW 2010, 2900 = VRR 2010, 313 = StRR 2010, 396 [fehlerhafte Behandlung des Schweigerechts]; OLG Hamm VRS 74, 36; NJW 1970, 624).
Hinweis:
Wird bewusst von einer höchstrichterlichen Entscheidung abgewichen, so ist i.d.R. ein Grund für die Zulassung gegeben; dann tritt nämlich offen zutage, dass die Rechtsprechung uneinheitlich ist (OLG Düsseldorf NStZ 1991, 395 = NZV 1991, 283). Bei unbewusster Abweichung hängt die Frage der Zulassung von der Bedeutung des möglichen Rechtsfehlers und dem Grad der Wiederholungsgefahr ab (BayObLG VRS 82, 212). Ergibt sich der Rechtsfehler aus einem vom AG verwendeten Formular, ist die Wiederholungsgefahr besonders groß (OLG Hamm JMBl. NW 1980, 69).
Bei Fehlern des materiellen Rechts gilt: Sie stellen wegen der großen Zahl der hier auftretenden Rechtsfragen und der dabei möglichen Auslegungsbreite nicht so häufig die Einheitlichkeit der Rechtsprechung in Frage. Allerdings muss hier insb. auch berücksichtigt werden, ob die Entscheidung im Ergebnis zu krassen Unterschieden führen würde (vgl. dazu OLG Düsseldorf NStZ 1991, 395 = NZV 1991, 283 [zur Zulassung von mehreren Rechtsbeschwerden bei gleichgelagerten Fällen]).
Bei Fehlern des Verfahrensrechts ist für die Zulassung entscheidend der Rang der Norm, die fehlerhaft angewendet worden ist (Göhler/Seitz, § 80 Rn. 7). Sind elementare Verfahrensgrundsätze verletzt, so z.B. das Gebot des fairen Verfahrens, das Recht auf die Anwesenheit in der HV oder das Recht auf Mitwirkung eines Verteidigers (vgl. BayObLG DAR 1976, 166), ist i.d.R. die Gefahr einer Wiederholung gegeben, weil die elementaren Verfahrensgrundsätze in jedem Verfahren zu beachten sind; ob bewusst oder unbewusst dagegen verstoßen worden ist, ist hier nicht entscheidend (Göhler/Seitz, § 80 Rn. 8 m.w.N.). Bei Vorliegen eines absoluten Rechtsbeschwerdegrundes i.S.v. § 338 StPO ist eine Abwägung vorzunehmen, ob wegen der Besonderheiten des Bußgeldverfahrens die Gesetzesverletzung von einem solchen Rang ist, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist. Das kann z.B. bei einem Verstoß gegen § 338 Nr. 1 StPO der Fall sein (vgl. OLG Köln VRS 53, 276).
bb) Besondere Fälle
(1) Fehlerhafte Behandlung eines Beweisantrags
Auch die fehlerhafte Behandlung eines Beweisantrags kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde erforderlich machen (KK-OWiG-Senge, § 80 Rn. 31). Das ist der Fall, wenn der Amtsrichter Beweisanträge der Verteidigung in der HV ohne Angabe von Gründen ablehnt. Das war bereits früher nach § 77 OWiG a.F. unzulässig (BayObLG NStZ 1986, 467), die Neufassung des § 77 OWiG hat daran nichts geändert (OLG Köln VRS 74, 210). Aus § 77 Abs. 3 OWiG ist abzuleiten, dass ein Beweisantrag, der in der HV gestellt worden ist, stets nur durch begründeten Beschluss abgelehnt werden darf. Lediglich bei der Ablehnung eines Beweisantrags nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG kann die Begründung i.d.R. darauf beschränkt werden, dass die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei (OLG Köln a.a.O.).
(2) Unzulängliche oder fehlende Urteilsgründe
Häufig sind die Urteilsgründe der amtsgerichtlichen Entscheidung unzulänglich, gelegentlich fehlen sie auch, obwohl die Voraussetzungen für ein Absehen von der Urteilsbegründung nach § 77b OWiG nicht vorgelegen haben, ganz. Ist das letztere der Fall, wird jedoch nicht allein deshalb die Rechtsbeschwerde zugelassen. Vielmehr ist auch in einem solchen Fall die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen des § 80 Abs. 1 und 2 OWiG anhand des abgekürzten Urteils, des Bußgeldbescheides, des Zulassungsantrags und sonstiger Umstände, die auch aus ggf. nachgeschobenen Urteilsgründen hergeleitet werden können, erforderlich (BGHSt 42, 187 = NJW 1996, 3157 = NStZ 1997, 39 = VRS 92, 135; KG VRS 82, 135 m.w.N.; OLG Bamberg StraFo 2010, 468; OLG Köln NZV 1997, 371; OLG Stuttgart NZV 2009, 522; Göhler/Seitz, § 80 Rn. 13 und § 77b Rn. 8 m.w.N.; Burhoff/Kotz...