(1) Sachrüge
Für die Begründung der Sachrüge ausreichend ist eine Formulierung, die etwa lautet: "Gerügt wird die Verletzung des sachlichen Rechts". Die Anforderungen an diese Rüge sind damit gering, doch muss sie zumindest erhoben werden, und zwar möglichst ausdrücklich (vgl. oben 4a). Grundsätzlich ist es aber ausreichend, wenn ohne ausdrückliche Erhebung der Sachrüge die Ausführungen des Rechtsmittels erkennen lassen, dass der Beschwerdeführer das angefochtene Urteil wegen sachlich-rechtlicher Fehler überprüft sehen will (vgl. z.B. BGH NStZ-RR 2000, 294; OLG Bamberg zfs 2014, 55 = VRR 2013, 311; OLG Hamm VRS 100, 459). Entscheidend ist, dass der Rügewille erkennbar ist. Deshalb ist eine Rechtsbeschwerde nicht ausreichend begründet, wenn das Beschwerdevorbringen, ohne dass das angefochtene Urteil in irgendeinem Punkt als fehlerhaft angegriffen wird, allein darauf abzielt, in der Rechtsbeschwerdeinstanz noch eine Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG zu erreichen (KG NZV 1996, 124). Wird mit der Rechtsbeschwerde nur der Eintritt der Verfolgungsverjährung geltend gemacht, ist damit die Sachrüge ausreichend erhoben, da die Verjährungsfrage nur beantwortet werden kann, wenn zuvor die Tat rechtlich zutreffend eingeordnet wird (OLG Düsseldorf VRS 74, 45).
Hinweis:
Der Betroffene braucht die Sachrüge nicht im Einzelnen zu begründen. Doch können Ausführungen dazu, inwieweit und warum eine Verletzung des sachlichen Rechts vorliegt, nützlich sein (vgl. i.Ü. Gribbohm NStZ 1983, 97 ff.; s.a. Burhoff StV 1997, 438). Für die Begründung der Rechtsbeschwerde muss sich der Verteidiger aber immer vor Augen führen, dass das Rechtsbeschwerdegericht für die Überprüfung auf die Sachrüge nur das Urteil oder den Beschluss zur Verfügung hat, ein Blick in die Akten ihm aber verwehrt ist. Das bedeutet, dass die Erfahrung des Verteidigers aus der ersten Instanz bei der Begründung des Rechtsmittels grundsätzlich ohne Bedeutung ist.
Mit der Sachrüge erreicht der Betroffene eine Nachprüfung des Urteils hinsichtlich des gesamten sachlichen Rechts, und zwar in einem sehr weiten Umfang (vgl. Burhoff/Junker, OWi, Rn. 3257 ff., Burhoff/Kotz/Junker, RM, Teil A Rn. 1315 ff.). So wird z.B. auch die Beweiswürdigung überprüft, allerdings nur darauf, ob eine Verletzung von Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen vorliegt. Ebenso wird überprüft, ob alle Verfahrensvoraussetzungen oder Verfahrenshindernisse vorliegen, so z.B. das Vorliegen eines wirksamen Bußgeldbescheides (OLG Düsseldorf VRS 61, 278).
Der Verteidiger muss sich auf die angefochtene Entscheidung und deren Ausführungen konzentrieren. Deshalb erübrigen sich Ausführungen dazu, warum der Tatrichter aufgrund der Beweisaufnahme zu einer anderen Überzeugung hätte gelangen, zumindest aber Zweifel ("in dubio pro reo") hätte haben müssen, wenn sich nicht aus den Urteilsgründen ergibt, dass der Richter bei seiner gefundenen Entscheidung noch Zweifel gehabt hat. Denn nur dann ist der Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt (BVerfG StraFo 2007, 463; BGH NJW 1973, 1209). Dass der Verteidiger noch Zweifel hat, begründet einen Verstoß ebenso wenig (OLG Hamm, Beschl. v. 28.6.2005 – 2 Ss OWi 418/05, www.burhoff.de; Burhoff StV 1997, 438).
Die Sachrüge hat i.Ü. selten mit der Rüge Erfolg, es sei ein Fehler bei der Tatsachenfeststellung gemacht worden, sog. Feststellungsrüge. Denn das Rechtsbeschwerdegericht muss grundsätzlich von den getroffenen Feststellungen ausgehen und prüft lediglich, ob sie klar, widerspruchsfrei, vollständig und frei von Verstößen gegen die Denkgesetze oder Erfahrungssätze des täglichen Lebens sind. Nicht gerügt werden kann daher, dass der Tatrichter aus den Feststellungen einen bestimmten Schluss gezogen hat, sofern dieser nur möglich ist. Der gezogene Schluss muss nicht zwingend sein (BGH NJW 1979, 2318).
Beanstandet werden können aber unvollständige und lückenhafte Feststellungen (§ 267 StPO), da derartige Urteilsausführungen dem Rechtsbeschwerdegericht nicht die erforderliche Nachprüfung erlauben, ob das Recht fehlerfrei angewendet worden ist. Dieser sachlich-rechtliche Mangel führt regelmäßig zur Aufhebung der Entscheidung (vgl. u.a. OLG Koblenz VRS 74, 199). Die Lücken in den Feststellungen können vielfältig sein, z.B. Nichtangabe des Tattages oder des Ortes der Ordnungswidrigkeit, so dass eine Abgrenzung des Tatgeschehens gegenüber anderen Taten nicht möglich erscheint, oder die getroffenen Feststellungen keine ausreichende Grundlage für die verhängten Rechtsfolgen mehr darstellen (wegen der Einzelheiten vgl. KK-OWiG-Senge, § 79 Rn. 121; i.Ü. wird zur Begründung der Sachrüge verwiesen auf die ausführlichen und instruktiven Ausführungen von KK-OWiG-Senge, § 79 OWiG Rn. 119 ff.; Burhoff/Junker, OWi, Rn. 3258 ff.; und für die Revision Burhoff, HV, Rn. 2252 ff.).
(2) Verfahrensrüge
Für die sog. Verfahrensrüge sieht das Gesetz strenge Formvorschriften vor, die in der Praxis oft zum Scheitern einer Rechtsbeschwerde führen. Mit der Verfahrensrüge wird die Verletzung von Rechtsnormen, die den Verfahr...