1. Anrechnung des ausgezahlten Kindergeldes bei Vorausleistung von Ausbildungsförderung
Nach § 36 Abs. 2, Abs. 1 BAföG wird Ausbildungsförderung ohne Anrechnung des nach den Vorschriften dieses Gesetzes angerechneten Unterhaltsbetrages geleistet, wenn der Auszubildende glaubhaft macht, dass seine Eltern diesen Betrag nicht leisten, und die Ausbildung auch unter Berücksichtigung des Einkommens des Ehegatten im Bewilligungszeitraum gefährdet ist. Voraussetzung für den Anspruch auf Vorausleistung ist erstens, dass der Auszubildende glaubhaft macht, dass seine Eltern den Bedarf nach den §§ 12 bis 14a BAföG nicht leisten, und die Eltern entgegen § 47 Abs. 4 BAföG die für die Anrechnung ihres Einkommens erforderlichen Auskünfte nicht erteilen oder Urkunden nicht vorlegen und darum ihr Einkommen nicht angerechnet werden kann, und zweitens Bußgeldfestsetzung oder Einleitung des Verwaltungszwangsverfahrens nicht innerhalb zweier Monate zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte geführt haben oder rechtlich unzulässig sind, insbesondere weil die Eltern ihren ständigen Wohnsitz im Ausland haben.
Die sich in diesem Zusammenhang stellende Frage, ob das dem Auszubildenden ausgezahlte Kindergeld bei der Bemessung der Vorausleistung i.S.d. § 36 Abs. 1 Hs. 1 BAföG mindernd zu berücksichtigen ist, hat das BVerwG in seinem Urteil vom 9.12.2014 (5 C 3.14, FamRZ 2015, 574 ff.) bejaht. Es spreche aus grammatikalischer Sicht Überwiegendes dafür, dass das Merkmal der "Gefährdung" einen tatsächlichen Zustand beschreibe, der in einer durch den Ausfall einer Unterhaltsleistung der Eltern hervorgerufenen finanziellen Notlage bestehe. Bei diesem Verständnis liege es nahe, eine Gefährdung in dem Umfang auszuschließen, in dem dem Auszubildenden finanzielle Mittel, wie etwa das Kindergeld, tatsächlich zuflössen. Mit der Vorausleistung von Ausbildungsförderung sei ein doppelter Zweck verbunden. Zum einen ziele diese auf die Sicherung der Ausbildung, die dadurch gefährdet sei, dass Eltern ihrer bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflicht dem Auszubildenden gegenüber nicht oder nicht in Höhe des angerechneten Betrages nachkämen, obwohl sie wirtschaftlich dazu in der Lage wären; zum anderen schließe sie die durch die zahlreichen typisierenden und pauschalierenden Regelungen im Anrechnungssystem des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bedingte Lücke zwischen dem Förderungsrecht und dem bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsrecht mit dem Ziel, Härten für den Auszubildenden aufzufangen. Diese Zwecke sprächen ebenfalls für die Berücksichtigung des dem Auszubildenden tatsächlich zugeflossenen Kindergeldes.
2. Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für die Vollzeitpflege von Enkelkindern
§ 36a Abs. 3 S. 1 SGB VIII verleiht einen Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für selbst beschaffte Hilfen (etwa Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege). Das sind Hilfen, die vom Leistungsberechtigten selbst abweichend von § 36a Abs. 1 und 2 SGB VIII erbracht werden, ohne dass eine Entscheidung des Trägers der Jugendhilfe oder eine Zulassung durch diesen vorangegangen ist. Der Übernahmeanspruch setzt nach § 36a Abs. 3 S. 1 SGB VIII voraus, dass der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (Nr. 1), die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen (Nr. 2) und die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (Nr. 3).
§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gewährt – anknüpfend an die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe – dem Personensorgeberechtigten bei der Erziehung eines Kindes oder Jugendlichen einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung, wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen (§ 27 Abs. 2a Hs. 1 SGB VIII). Wird Hilfe zur Erziehung u.a. in Form der Vollzeitpflege gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen (§ 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII).
Hinweis:
Ein erzieherischer Bedarf i.S.v. § 27 Abs. 1 S. 1 SGB VIII setzt voraus, dass eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist. Die Vorschrift verlangt damit, dass infolge einer erzieherischen Defizit- bzw. Mangelsituation ein entsprechender erzieherischer Bedarf begründet worden ist (vgl. JAmt 2005, 524 f.; OVG Münster, Beschl. v. 22.9.2011 – 12 A 1596/10). Dabei ist danach zu fragen, ob diese Mangelsituation infolge des erzieherischen Handelns bzw. Nichthandelns der leiblichen Eltern des Minderjährigen eingetreten ist, diese also nicht in der Lage sind, den Bedarf zu decken (vgl. BVerwGE 142, 115 Rn. 19)
Nicht maßgeblich ist nach dem Urteil des BVerwG vom 9.12.2014 (5 C 32.13, FamRZ 2015,659 FF. = ZKJ 2015,167 ff.), ob ein Verwandter – z.B. die Großmutter – den Bedarf des Kindes (im Einvernehmen mit ...