1. Eskalationsdynamik
Konflikte haben, egal in welchem Kontext sie stattfinden, eine eigene Eskalationsdynamik, die durch verschiedene Antriebsmechanismen erzeugt wird. Der Konfliktforscher Friedrich Glasl hat diesen dynamischen Eskalationsprozess in einem 9-Stufen-Modell dargestellt (Glasl, Konfliktmanagement, 11. Aufl. 2013, S. 235 ff.). Die Eskalation reicht danach von einer Verhärtung, die sich durch Spannungen und Reibungen zwischen den Parteien äußert, bis hin zum totalen gegenseitigen Vernichtungskrieg. Je nach Eskalationsstufe variieren auch die Erwartungen der Parteien hinsichtlich der Lösbarkeit von Streitigkeiten. Die zu Beginn eines Konflikts bestehende Kooperationsbereitschaft geht immer weiter verloren, bis eine konstruktive Lösung nicht mehr denkbar ist. Ab einem gewissen Zeitpunkt ist der Konflikt nicht mehr ohne Einschaltung eines Dritten befriedigend lösbar. Bei ausgeprägter Eskalation ist ein Machteingriff mit Hoheitsgewalt notwendig. Mit Hilfe der Analyse von Konfliktdynamik lassen sich Empfehlungen für den Einsatzzeitpunkt und die Durchführung der verschiedenen ADR-Verfahren geben. Im Hinblick darauf können Eskalationsklauseln vereinbart werden, die für jede Stufe der Eskalation eine passende spezielle Konfliktbehandlungsphase festlegen (Berger, Rechtsprobleme von Eskalationsklauseln, in: FS Schlosser, 2005,S. 19).
2. Definition und Erscheinungsformen
Eskalationsklauseln sind Vertragsklauseln, die für die Konfliktlösung einen mehrstufigen Prozess mit getrennten Verfahren vorsehen (Arntz SchiedsVZ 2014, 237). Sie legen die Durchführung von mindestens zwei Streitbeilegungsverfahren fest, die in einem Stufenverhältnis zueinanderstehen. Das unterscheidet sie von Mediations- oder Schiedsklauseln, die jeweils nur ein Verfahren bestimmen. Mithilfe von Eskalationsklauseln kann eine individuelle und mehrstufige Gesamtstrategie für die Konfliktlösung vertraglich vereinbart werden. Es gilt der Grundsatz der Parteiautonomie (Kröll ZVerglRWiss 2015, 549). Ziel ist es, die Konfliktlösung effizienter zu gestalten. Konflikte sollen möglichst früh im Wege der alternativen Streitbeilegung einvernehmlich gelöst werden. Die verschiedenen ADR-Verfahren ermöglichen dabei eine Vielzahl von Kombinations- und Gestaltungsmodellen. Früher waren zweistufige Streitbeilegungsklauseln verbreitet, bei denen Mediation oder Verhandlungen auf der ersten Stufe dem Schiedsverfahren als zweiter Stufe vorgeschaltet waren (Greger/Stubbe, Schiedsgutachten, 2007, § 1 Rn 20). Heute sind bei Unternehmen dreistufige Konfliktlösungsmodelle üblich (Sessler ZKM 2014, 163). In solchen ist zunächst eine Verhandlung, dann Mediation oder ein anderes ADR-Verfahren und schließlich ein (Schieds-)Gerichtsverfahren vorgesehen. Auf letzter Stufe steht immer ein Verfahren, das die Entscheidung der Streitigkeit sicherstellt. Das garantiert ein Ergebnis auch für den Fall, dass sich die Parteien nicht konsensual einigen. Die vorgeschalteten ADR-Verfahren dienen als "Filter" (Arntz SchiedsVZ 2014, 237). Erst nach ihrem Scheitern kann ein Schieds- oder Gerichtsverfahren als ultima ratio durchgeführt werden.
3. Anwendungsgebiete
Eskalationsklauseln werden insbesondere bei komplexen und langfristigen Verträgen genutzt (Risse, Wirtschaftsmediation, 2013, § 3 Rn 49). Das ist darauf zurückzuführen, dass eine hohe Störanfälligkeit besteht und eine schnelle Streitbeilegung zur weiteren Projektrealisierung erforderlich ist (Arntz, Eskalationsklauseln, 2013, S. 63). Seit langem gebräuchlich sind Eskalationsklauseln in der anglo-amerikanischen Vertragspraxis. In Deutschland stellen Eskalationsklauseln 2006 nach Tochtermann noch eine Ausnahme dar (Tochtermann ZZPInt 2006, 430).
Hinweis:
Dies dürfte sich inzwischen geändert haben. Dafür spricht beispielsweise, dass immer öfter mehrstufige Musterklauseln veröffentlicht werden und auch in der Literatur das Thema verstärkt besprochen wird. Konkrete Nachweise oder Forschungsergebnisse liegen hierzu bisher jedoch nicht vor.