1. Entwicklung
Die gesetzliche Unfallversicherung (GUV) wurde erstmals im Rahmen der Sozialgesetzgebung durch das Unfallversicherungsgesetz aus dem Jahr 1884 eingeführt. Versicherungszweck ist die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren bzw. die Leistungsgewährung nach Eintritt eines Versicherungsfalls. Heute ist die Unfallversicherung im SGB VII geregelt. 2008 wurde die Versicherung grundlegend reformiert durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung – Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz (UVMG) vom 30.10.2008.
Hinweis:
Die Unfallversicherung steht praktisch seit ihrer Gründung in der Kritik. Unternehmer bemängeln die als zu hoch empfundenen Beiträge, während einzelne Versicherte das Regulierungsverhalten als unangemessen empfinden.
2. Träger der gesetzlichen Unfallversicherung
Unfallversicherungsträger sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften, die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, die Unfallversicherung Bund und Bahn, die Unfallkassen der Länder, die Gemeindeunfallversicherungsverbände und Unfallkassen der Gemeinden, die Feuerwehr-Unfallkassen und die gemeinsamen Unfallkassen für den Landes- und den kommunalen Bereich, § 114 Abs. 1 SGB VII. Die örtliche Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers für ein Unternehmen richtet sich nach dem Sitz des Unternehmens. Ist ein solcher nicht vorhanden, gilt als Sitz der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des Unternehmers. Bei Arbeitsgemeinschaften gilt als Sitz des Unternehmens der Ort der Tätigkeit, § 130 Abs. 1 SGB VII.
3. Versicherter Personenkreis
In der gesetzlichen Unfallversicherung sind u.a. pflichtversichert: Beschäftigte, Kinder in Kindertagesstätten oder Kindergärten, Schüler, Studenten, Auszubildende, Landwirte, Pflegepersonen, Helfer bei Unglücksfällen, Helfer im Zivil- und Katastrophenschutz, Blut- und Organspender, vgl. § 2 SGB VII. Freiwillig versichert können Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner sein, § 6 SGB VII.
Versicherungsbeitragspflichtig sind die Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen, § 150 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen, § 157 Abs. 1 S. 1 SGB VII.
4. Versicherungsfall
Im Unfallversicherungsrecht wird unterschieden zwischen Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten.
Hinweis:
Die Differenzierung bereitet regelmäßig keine Schwierigkeiten. Zu beachten ist, dass verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht ausschließt, § 7 Abs. 2 SGB VII.
a) Arbeitsunfall
Arbeitsunfälle sind nach der Legaldefinition in § 8 Abs. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Eigenwirtschaftliche Tätigkeiten des Versicherten sind nicht versichert, z.B. Nahrungsaufnahme, Toilettengang, Ankleiden.
Zur Abgrenzung von versicherter und eigenwirtschaftlicher Tätigkeit existiert umfangreichste Rechtsprechung. Liegt eine gemischte Tätigkeit vor, d.h. die Tätigkeit lässt sich nicht eindeutig zuordnen, muss wertend ermittelt werden, ob die Tätigkeit wesentlich, nicht unbedingt überwiegend betriebsdienlich war. Dabei handelt es sich wieder um eine wertende Betrachtung, bei der die Handlungstendenz entscheidend ist. Die neuere Rechtsprechung des BSG stellt darauf ab, ob die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre (BSG, Urt. v. 12.4.2005 – B 2 U 11/04 R, BSGE 94 S. 262 = SozR 4-2700).
Hinweis:
Ein Unfall im Homeoffice, z.B. der Sturz einer Arbeitnehmerin auf dem Weg vom häuslichen Arbeitsplatz in die Küche, wo sie sich etwas zu trinken holen möchte, ist kein Arbeitsunfall (vgl. BSG, Urt. v. 5.7.2016 – B 2 U 5/15 R, ZAP EN-Nr. 816/2016).
Die Voraussetzungen des sog. Wegeunfalls sind in § 8 Abs. 2 SGB VII geregelt. Versichert ist der unmittelbare Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit, das Zurücklegen eines davon abweichenden Weges, um Kinder in den Kindergarten bzw. zur Schule zu bringen bzw. von dort abzuholen und um Fahrgemeinschaften zu bilden.
b) Berufskrankheit
Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden, § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung als Berufskr...