1. Entwicklung
Verglichen mit den zuvor dargestellten Versicherungen, ist die Pflegeversicherung relativ neu. Sie wurde als eigenständiger Zweig der Sozialversicherung 1995 eingeführt und ist im SGB XI gesetzlich geregelt. Nicht zuletzt die steigende Lebenserwartung, die höhere Zahl von Pflegebedürftigen und die längere Dauer der Pflegebedürftigkeit führten zur Einführung dieser Pflichtversicherung. 2002 trat das Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz, 2012 Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz in Kraft. Das Zweite Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz – PSG II) ist am 1.1.2016 in Kraft getreten. Das neue Begutachtungsverfahren und die Umstellung von Pflegestufe auf (fünf) Pflegegrad ist zum 1.1.2017 wirksam geworden.
2. Träger der sozialen Pflegeversicherung
Träger der sozialen Pflegeversicherung sind die Pflegekassen; ihre Aufgaben werden von den Krankenkassen wahrgenommen. § 1 Abs. 3 SGB XI. Die Pflegekassen sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Organe der Pflegekassen sind die Organe der Krankenkassen, bei denen sie errichtet sind. Arbeitgeber (Dienstherr) der für die Pflegekasse tätigen Beschäftigten ist die Krankenkasse, bei der die Pflegekasse errichtet ist, § 46 Abs. 2 SGB XI.
3. Versicherter Personenkreis
In den Schutz der sozialen Pflegeversicherung sind kraft Gesetzes alle einbezogen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert sind, auch Familienmitglieder (s.o. IV. 3.). Wer gegen Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert ist, muss eine private Pflegeversicherung abschließen, § 1 Abs. 2 SGB XI.
Hinweis:
Freiwillig in der GKV Versicherte können auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit werden, wenn sie nachweisen, dass sie bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Pflegebedürftigkeit versichert sind und für sich und ihre Angehörigen oder Lebenspartner Leistungen beanspruchen können, die nach Art und Umfang gleichwertig sind, § 22 Abs. 1 SGB XI.
4. Versicherungsfall
Versicherungsfall ist die Pflegebedürftigkeit einer Person, § 14 SGB XI. Pflegebedürftig sind Personen, die Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder Fähigkeitsstörungen aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche oder psychische Schädigungen, Beeinträchtigungen körperlicher oder kognitiver oder psychischer Funktionen sowie gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen können.
Statt wie bisher drei Pflegestufen gibt es nun fünf Pflegegrade, § 15 Abs. 3 SGB VI:
- Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (12,5 bis unter 27 Punkte),
- Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (27 bis unter 47,5 Punkte),
- Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (47,5 bis unter 70 Punkte),
- Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (70 bis unter 90 Punkte),
- Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung (90 bis 100 Punkte).
Hinweis:
Die Pflegesituation von Menschen mit geistigen und seelischen Beeinträchtigungen, etwa bei demenziellen Erkrankungen, wird bei der Begutachtung jetzt in gleicher Weise berücksichtigt wie die Pflegesituation der Pflegebedürftigen mit körperlichen Einschränkungen.
Wer bereits Leistungen der Pflegeversicherung bezieht, wird per Gesetz automatisch in das neue System übergeleitet. Ein neuer Antrag auf Begutachtung ist nicht erforderlich.
5. Leistungen
Die Leistungen der Pflegeversicherung sind gem. § 4 Abs. 1 SGB XI Dienst-, Sach- und Geldleistungen für den Bedarf an körperbezogenen Pflegemaßnahmen, pflegerischen Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung sowie Kostenerstattung. Art und Umfang der Leistungen richten sich nach der Schwere der Pflegebedürftigkeit und danach, ob häusliche, teilstationäre oder vollstationäre Pflege in Anspruch genommen wird.
Versicherte erhalten die Leistungen der Pflegeversicherung nur auf Antrag. Die Leistungen werden ab Antragstellung gewährt, frühestens jedoch von dem Zeitpunkt an, in dem die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Wird der Antrag später als einen Monat nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit gestellt, werden die Leistungen vom Beginn des Monats der Antragstellung an gewährt, § 33 Abs. 1 SGB XI.
Anspruch auf Leistungen besteht, wenn der Versicherte in den letzten zehn Jahren vor der Antragstellung mindestens zwei Jahre als Mitglied versichert oder familienversichert war, § 33 Abs. 2 SGB XI. Die einzelnen Leistungsarten findet man in § 28 SGB XI.
Hinweis:
Neu ist § 28a SGB XI: er sieht einen modifizierten Leistungskatalog für den Pflegegrad 1 vor.
Pflegebedürftige der Pflegegrade 2–5 können anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderlichen körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführu...