a) Aushebelung der Vorsorgevollmacht
In der Praxis unternehmen Pflegeeinrichtungen bisweilen den Versuch, Vorsorgevollmachten "auszuhebeln" und gerichtlich widerrufen zu lassen.
Beispiel:
Im Jahre 2008 erteilt der heute an Demenz leidende Betroffene B. seiner Schwester S. und seinem Schwager Sch. eine Vorsorgevollmacht, die u.a. der Vermeidung einer Betreuung dienen soll. Seit November 2010 lebt B. in einer Pflegeeinrichtung, die von einem Ehepaar betrieben wird. Zwischen Sch. und Frau E., der Betreiberin der Pflegeeinrichtung, kommt es zu Differenzen im Zusammenhang mit der Pflegesituation. Sch. wirft Frau E. vor, sie sei überlastet und ihr Umgangston sei oft grob, aggressiv und laut. Deshalb möchte Sch. B. aus dieser privaten Pflegeeinrichtung herausholen und in einem Altenpflegeheim unterbringen. Dagegen wehrt sich Frau E., die Sch. nicht für geeignet hält, die ihm erteilte Generalvollmacht im Interesse von B. auszuüben. Sie beantragt die gerichtliche Anordnung einer Betreuung für B. und den Widerruf der erteilten Generalvollmacht. Dagegen wehrt sich nun Sch. und legt gegen die gerichtlich angeordnete Betreuung Beschwerde im eigenen Namen ein.
Der BGH verwirft die Beschwerde und erhält damit den ausgesprochenen Widerruf der erteilten Generalvollmacht aufrecht (BGH, Beschl. v. 5.11.2014 – XII ZB 117/14, NJW 2015, 407 ff.). Weder aus § 303 Abs. 4 S. 1 FamFG, noch aus § 303 Abs. 2 Nr. 2 FamFG oder aus § 59 Abs. 1 FamFG ergebe sich ein eigenes Beschwerderecht. Beschwerde könne der Generalbevollmächtigte nur im Namen des Betroffenen als dessen gesetzlicher Vertreter (§ 1902 BGB) einlegen. Eigene Rechte des Bevollmächtigten gewährten schon nach dem Willen des Gesetzgebers kein Beschwerderecht und seien im Übrigen auch nicht durch die gerichtliche Anordnung einer Betreuung mit Widerruf einer privat erteilten Generalvollmacht betroffen. Denn mit der Vorsorgevollmacht solle der Bevollmächtigte in die Lage versetzt werden, im Interesse des Vollmachtgebers und nicht im eigenen Namen zu handeln. Die Vollmacht verleihe als die durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht (§ 166 Abs. 2 BGB) dem Bevollmächtigten ausschließlich die Legitimation, durch rechtsgeschäftliches Handeln im Namen des Vertretenen (Vollmachtgebers) unmittelbar für und gegen diesen Rechtswirkungen herbeizuführen. Sie schränke die eigene Rechtsmacht des Vollmachtgebers aber nicht ein und begründe deshalb auch kein eigenes subjektives Recht des Bevollmächtigten (BGH NJW 2015, 480 f.). Schließlich begründe auch das Rechtsverhältnis, das der Vollmacht zugrunde liege, kein eigenes subjektives Recht des Bevollmächtigten, in das durch die Betreuerbestellung unmittelbar eingegriffen worden wäre (BGH NJW 2015, 409).
Es können sich auch weitere Umstände ergeben, die zum Widerruf der Vollmacht führen können. So kann sie lückenhaft formuliert sein. Das ist anzunehmen, wenn die Einsetzung eines Bevollmächtigten unter den Vorbehalt der eigenen ausgeschlossenen Fähigkeit gestellt wird, sich um seine Angelegenheiten (rechtswirksam) zu kümmern. Formulierungen wie z.B. "Wenn ich nicht mehr selbst in der Lage dazu bin, dann ..." sind zu unscharf. Sie werfen Fragen auf: Wann ist man dazu nicht mehr in der Lage, wer muss das nachweisen? Ist ein solcher Nachweis möglich? Bleiben diese Fragen offen, so wird im Zweifel ein gerichtliches Betreuungsverfahren eingeleitet, obwohl eine Betreuungsvollmacht im Rahmen der ausgearbeiteten Generalvollmacht bereits existiert. Es passiert also genau das, was man mit der eigenen Generalvollmacht verhindern wollte.
b) Offen gebliebene, aber regelungsbedürftige Fragen und unausgefüllte Stellen im Formular
Eine lückenhafte Vollmacht kann sich auch unter dem Umstand ergeben, dass man nicht alle eigenen Lebensumstände berücksichtigt und geregelt hat. Gibt es z.B. bestimmte Krankheiten, auf die gesondert eingegangen werden muss? Gibt es spezielle Lebenssituationen oder Vermögenslagen? Das Urteil des BGH vom 1.4.2015 zeigt die Konsequenzen einer lückenhaft erstellten Vorsorgevollmacht auf:
Beispiel:
Ehemann E. erteilt seiner Frau F. Generalvollmacht. Dazu verwendet er ein Formular aus dem Internet. Der Punkt "Verbindlichkeiten eingehen" wird weder positiv noch negativ beantwortet, also weder mit Ja noch mit Nein angekreuzt, der Punkt "Vertretung vor Gericht" mit Nein. E. wird geschäftsunfähig. Das zuständige Amtsgericht leitet trotz bestehender Generalvollmacht eine Betreuung ein. Aus dem "Ankreuzverhalten" des E. zieht das Gericht den Schluss, dass die Vollmacht insgesamt nicht wirksam ausgefertigt worden ist. Dagegen führt F. Beschwerde. Das Amtsgericht beschränkt daraufhin das Betreuungsverfahren auf die beiden unklar beantworteten und sich gegenseitig widersprechenden Bereiche.
Der BGH "kassierte" diese Entscheidung und betont, eine Betreuung dürfe nur für die Aufgabenkreise gestellt werden, für die die Bestellung auch notwendig geworden sei. Soweit ein konkreter Bedarf nicht bestehe, dürfe auch keine Betreuung eingeleitet werden. Hier war weder eine Vertretung vor Gericht notwendig, noch sollten Verbindlichkeiten eingegangen werden. Für alle anderen Fälle der Vermö...