1. Allgemeines
Frage:
Ist die Vollmacht/die Verfügung widerruflich oder unwiderruflich?
Der Betroffene kann die Generalvollmacht und selbstverständlich auch die Patientenverfügung oder die Betreuungsvollmacht im Einzelnen jederzeit frei widerrufen (§ 1901a Abs. 1 S. 3 BGB). Dies kann entweder ausdrücklich oder konkludent durch die Abfassung einer neuen Erklärung oder insgesamt formlos geschehen (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 13.7.2016 – XII ZB 488/15, MDR 2016, 1209).
Das Widerrufsrecht geht auf die Erben über. Auch sie haben im Fall einer trasmortal erteilten Vollmacht die Möglichkeit, die Erklärungen des Erblassers zu widerrufen.
In jedem Fall des Widerrufs müssen ausgehändigte Vollmachten zurückgefordert werden. Der Widerruf muss gegenüber allen möglichen Geschäftspartnern bekannt gegeben werden. Dies gilt insbesondere in allen Fällen, in denen der Bevollmächtigte bereits im Außenverhältnis von der Vollmacht Gebrauch gemacht hat.
Frage:
Gilt die Vollmacht für den Fall angeordneter oder faktischer Betreuung unwiderruflich, also immer, oder lässt sie sich durch einen gerichtlichen Betreuungsantrag aushebeln?
Trotz existierender wirksamer Vorsorgevollmacht einschließlich Patientenverfügung kann gerichtlich ein Kontrollbetreuer bestellt werden, der im Extremfall auch dazu ermächtigt werden kann, die existierende Vollmacht zu widerrufen. Ebenso kann das Gericht selbst die Vollmacht für kraftlos erklären und Betreuung anordnen (BGH, Beschl. v. 3.2.2016 – XII ZB 425/14, NJW 2016, 1514 ff.; v. 3.2.2016 – XII ZB 454/15, NJW 2016, 1516; v. 17.2.2016 – XII ZB 498/15; v. 14.3.2013 – XII ZB 206/13; v. 7.8.2013 – XII ZB 223/13). Einschlägige Fälle sind:
- Der Bevollmächtigte kümmert sich mit Zeitverzug und nur sehr zögerlich um die Angelegenheiten des Vollmachtgebers (BGH, Beschl. v. 7.8.2013 – XII ZB 223/13, NJW 2013, 3522 = MDR 2013, 1183).
- Der Bevollmächtigte kann sich gegen einen hineindrängenden Konkurrenten, der ohne rechtliche Grundlage rein tatsächlich die Angelegenheiten des Vollmachtgebers übernimmt und regelt, nicht durchsetzen und erweist sich deshalb als ungeeignet (BGH, Beschl. v. 17.2.2016 – XII ZB 498/15, MDR 2016, 463 f.; v. 7.8.2013 – XII ZB 671/12, MDR 2013, 1224 = NJW 2013, 3373 = ZEV 2013, 626).
- Es besteht eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen, weil der Bevollmächtigte wegen erheblicher Bedenken an seiner Geeignetheit oder Redlichkeit als ungeeignet erscheint (BGH, Beschl. v. 14.8.2013 – XII ZB 206/13, ZEV 2013, 627; v. 13.4.2011 – XII ZB 584/10, NJW 2011, 2135 = ZEV 2011, 433).
- Der Bevollmächtigte übt die ihm erteilte Generalvollmacht nicht im Interesse des Betroffenen aus und erscheint deshalb als ungeeignet (BGH, Beschl. v. 5.11.2014 – XII ZB 117/14, NJW 2015, 407 ff., st. Rspr. vgl. ebenso: BGH, Beschl. v. 17.2.2016 – XII ZB 498/15, MDR 2016, 463 f.).
- Aufgrund einer nachweisbaren und diagnostizierten Intelligenzminderung des Betroffenen wird fraglich, ob er bei Erteilung der Generalvollmacht geschäftsfähig oder geschäftsunfähig gewesen ist (BGH, Beschl. v. 14.8.2013 – XII ZB 206/13, ZEV 2013, 627).
2. Beispiele aus der Praxis
a) Aushebelung der Vorsorgevollmacht
In der Praxis unternehmen Pflegeeinrichtungen bisweilen den Versuch, Vorsorgevollmachten "auszuhebeln" und gerichtlich widerrufen zu lassen.
Beispiel:
Im Jahre 2008 erteilt der heute an Demenz leidende Betroffene B. seiner Schwester S. und seinem Schwager Sch. eine Vorsorgevollmacht, die u.a. der Vermeidung einer Betreuung dienen soll. Seit November 2010 lebt B. in einer Pflegeeinrichtung, die von einem Ehepaar betrieben wird. Zwischen Sch. und Frau E., der Betreiberin der Pflegeeinrichtung, kommt es zu Differenzen im Zusammenhang mit der Pflegesituation. Sch. wirft Frau E. vor, sie sei überlastet und ihr Umgangston sei oft grob, aggressiv und laut. Deshalb möchte Sch. B. aus dieser privaten Pflegeeinrichtung herausholen und in einem Altenpflegeheim unterbringen. Dagegen wehrt sich Frau E., die Sch. nicht für geeignet hält, die ihm erteilte Generalvollmacht im Interesse von B. auszuüben. Sie beantragt die gerichtliche Anordnung einer Betreuung für B. und den Widerruf der erteilten Generalvollmacht. Dagegen wehrt sich nun Sch. und legt gegen die gerichtlich angeordnete Betreuung Beschwerde im eigenen Namen ein.
Der BGH verwirft die Beschwerde und erhält damit den ausgesprochenen Widerruf der erteilten Generalvollmacht aufrecht (BGH, Beschl. v. 5.11.2014 – XII ZB 117/14, NJW 2015, 407 ff.). Weder aus § 303 Abs. 4 S. 1 FamFG, noch aus § 303 Abs. 2 Nr. 2 FamFG oder aus § 59 Abs. 1 FamFG ergebe sich ein eigenes Beschwerderecht. Beschwerde könne der Generalbevollmächtigte nur im Namen des Betroffenen als dessen gesetzlicher Vertreter (§ 1902 BGB) einlegen. Eigene Rechte des Bevollmächtigten gewährten schon nach dem Willen des Gesetzgebers kein Beschwerderecht und seien im Übrigen auch nicht durch die gerichtliche Anordnung einer Betreuung mit Widerruf einer privat erteilten Generalvollmacht betroffen. Denn mit der Vorsorgevollmacht solle der Bevollmächtigte in die Lage versetzt werden, im Interesse des Vollmachtgebers und n...