In Reaktion auf frühere BSG-Entscheidungen (BSG, Urt. v. 3.12.2015 – B 14 AS 44/15 R; v. 3.12.2015 – B 4 AS 59/13 R; v. 3.12.2015 – B 4 AS 43/15 R; v. 16.12.2015 – B 14 AS 15/14 R; v. 16.12.2015 – B 14 AS 18/14 R; v. 16.12.2015 – B 14 AS 33/14 R; v. 20.1.2016 – B 14 AS 35/15 R; v. 17.2.2016 – B 4 AS 24/14 R; v. 17.3.2016 – B 4 AS 32/15 R; vgl. dazu etwa Pattar SGb 2016, 665–672; Kanalan ZESAR 2016, 365–371 u. 414–421) hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 29.12.2016 die Leistungsausschlusstatbestände für Ausländerinnen und Ausländer in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II und flankierend dazu in § 23 SGB XII deutlicher und strenger gefasst. Das BSG hatte entschieden, dass Ausländerinnen und Ausländer ohne Aufenthaltsrecht und solche, deren Aufenthaltsrecht ausschließlich zum Zwecke der Arbeitssuche besteht, zwar keinen Anspruch auf SGB II-Leistungen haben, dass aber nach einem mindestens sechsmonatigen Inlandsaufenthalt eine Ermessensreduzierung auf Null auf Gewährung von SGB XII-Leistungen besteht.
Für den bis zum 28.12.2016 geltenden Rechtsstand hat das BSG (Urt. v. 23.2.2017 – B 4 AS 7/16 R) diese Linie nun erneut bestätigt. Zum neuen Recht liegen noch keine Entscheidungen des BSG vor. Die zuvor schon sehr kritischen Untergerichte halten die Neufassung für verfassungsgemäß und wenden sie in strenger Weise an (LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.2.2017 – L 23 SO 30/17 B ER; LSG NRW, Beschl. v. 16.3.2017 – L 19 AS 190/17 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 18.4.2017 – L 13 AS 113/17 B ER; Beschl. v. 19.5.2017 – L 11 AS 247/17 B ER; milder hingegen LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 31.5.2017 – L 1 AS 1815/17 ER-B).
Das treibt erstaunliche Blüten: So fordert das LSG Berlin-Brandenburg für die Annahme einer Arbeitnehmereigenschaft, dass im Arbeitsverhältnis der Mindestlohn eingehalten wird (Beschl. v. 10.5.2017 – L 31 AS 571/17 B ER), obwohl die Lohnzahlungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis folgt und nicht seine Voraussetzung ist. Obwohl ein Verfahren zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der früheren, milderen Fassung von § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II vor dem BVerfG weiter anhängig ist (SG Mainz, Vorlagebeschl. v. 18.4.2016 – S 3 AS 149/16; Az. beim BVerfG: 1 BvL 4/16), wird weithin auch eine vorläufige Leistung nach § 41a Abs. 7 SGB II abgelehnt (LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24.3.2017 – L 5 AS 449/17 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 18.4.2017 – L 13 AS 113/17 B ER; v. 19.5.2017 – L 11 AS 247/17 B ER).
Eine gewisse Ausnahme bildet ein Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt (v. 7.3.2017 – L 2 AS 127/17 B ER). Hiernach ist der Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 SGB XII in der seit 29.12.2016 geltenden Fassung für Staatsangehörige aus Unterzeichnerstaaten des Europäischen Fürsorgeabkommens (Belgien, Dänemark, Estland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Island, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Portugal, Spanien, Schweden, Türkei, Großbritannien) nicht anwendbar. Damit bleibt es für diese Personengruppe im Wesentlichen bei der Rechtslage, wie sie durch die BSG-Urteile vorgezeichnet ist. Auch das LSG Schleswig-Holstein hält den neuen Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchst. c SGB II für europarechtswidrig (Beschl. v. 17.2.2017 – L 6 AS 11/17 B ER).
Hinweis:
Insgesamt ist es zwar erheblich schwerer geworden, SGB II- oder SGB XII-Leistungsansprüche von Ausländerinnen und Ausländern durchzusetzen, die nicht eindeutig Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer sind oder ein sonstiges Aufenthaltsrecht haben. Insbesondere im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, bei dem der Rechtsweg beim LSG endet, ist eine Art Flickenteppich aus strengeren und weniger strengen LSG entstanden. Durch die Neuregelung ist allerdings nicht alles geklärt, wie der Gesetzgeber gehofft hatte, vielmehr sind neue Streitlinien aufgebrochen. Von Klagen kann also keinesfalls abgeraten werden.