Sofern die Behandlung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde, ist sie gem. § 2b Abs. 1 S. 2 UStG als Unternehmerin zu behandeln (vgl. schon oben III.).
aa) Wettbewerb
Verzerrungen des Wettbewerbs können nur stattfinden, wenn überhaupt Wettbewerb besteht. Dies setzt voraus, dass die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbrachte Leistung gleicher Art auch von einem privaten Unternehmer erbracht werden könnte. Die Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts muss also marktrelevant sein (BMF-Schreiben v. 16.12.2016, a.a.O., Rn 23) und darf sich nicht nur auf einen lokalen Markt beziehen (vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – C-288/07, Isle of Wight Council u.a., BFH/NV 2009, 108).
bb) Wettbewerbsgrenze
Größer sind Wettbewerbsverzerrungen bereits dann, wenn sie nicht lediglich unbedeutend sind (BMF-Schreiben v. 16.12.2016, a.a.O., Rn 31, m. Hinw. auf EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – C-288/07, a.a.O.).
Keine größeren Wettbewerbsverzerrungen liegen gem. § 2b Abs. 2 UStG vor, wenn der von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts aus gleichartigen Tätigkeiten erzielte Jahresumsatz 17.500 EUR nicht überschreitet oder vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen – ohne Recht auf Verzicht auf Steuerbefreiungen gem. § 9 UStG – einer Steuerbefreiung unterliegen.
Für die Ermittlung der Wettbewerbsgrenze ist der Umsatz der einzelnen gleichartigen Tätigkeiten im Kalenderjahr zu berücksichtigen. Es ist auf die voraussichtlich zu vereinnahmenden Beträge abzustellen. Maßgebend ist die zu Beginn eines Jahres vorzunehmende Beurteilung der Verhältnisse für das laufende Kalenderjahr. Ist danach ein voraussichtlicher Umsatz von nicht mehr als 17.500 EUR zu erwarten, ist dieser Betrag auch dann maßgebend, wenn der tatsächliche Umsatz im Laufe des Kalenderjahres die Grenze von 17.500 EUR überschreitet.
Hinweis:
Nimmt die juristische Person des öffentlichen Rechts die Tätigkeit, für die das Vorliegen einer größeren Wettbewerbsverzerrung zu prüfen ist, im Laufe des Kalenderjahres neu auf, ist allein auf den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Kalenderjahres abzustellen. Eine Umrechnung auf einen fiktiven Jahresumsatz unterbleibt (BMF-Schreiben v. 16.12.2016, a.a.O., Rn 34).
cc) Juristischen Personen öffentlichen Rechts vorbehaltene Leistungen
Sofern eine Leistung an eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts ausgeführt wird, liegen keine größere Wettbewerbsverzerrungen gem. § 2b Abs. 3 UStG vor, wenn
- die Leistungen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden dürfen oder
- die Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird, was regelmäßig anzunehmen ist, wenn die Leistungen aufgrund langfristiger öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen erfolgen, dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur dienen, die Leistungen ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht werden und der Leistende gleichartige Leistungen im Wesentlichen an andere juristische Personen des öffentlichen Rechts erbringt.
Hinweis:
Unter den Begriff „Erhalt der öffentlichen Infrastruktur“ fällt auch deren Förderung, Ausbau und Errichtung. Die öffentliche Infrastruktur umfasst alle Einrichtungen materieller und institutioneller Art, die für die Ausübung öffentlicher Gewalt i.S.v. § 2b Abs. 1 UStG notwendig sind. Hierzu gehören die materielle bzw. technische und digitale Infrastruktur (z.B. Verkehrswegenetz, Entsorgung von Wasser), die immaterielle bzw. soziale Infrastruktur (z.B. Bildungswesen, innere Sicherheit, öffentlich-rechtlicher Rundfunk) und die institutionelle Infrastruktur (z.B. Rechtsordnung, Wirtschaftsordnung, Sozialordnung). Als öffentliche Infrastruktur i.S.d. § 2b Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b UStG sind bei kirchlichen juristischen Personen des öffentlichen Rechts insbesondere die Verkündigung und Seelsorge sowie die dafür genutzten öffentlichen Sachen anzusehen, so neben Kirchen und Kapellen z.B. auf Kirchengrundstücken befindliche Pfarrgebäude (Pastorat) und Gemeindehäuser (BMF-Schreiben v. 16.12.2016, a.a.O., Rn 48).
dd) Fazit
Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2b Abs. 3 UStG vor, greift § 2b Abs. 1 S. 1 UStG, wonach juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht als Unternehmer gelten.