1. Vertretung in mehreren Instanzen
Der Anwaltssenat hat in einem Beschl. v. 25.2.2019 (AnwZ [Brfg] 80/18) seine bisherige Rechtsprechung (vgl. Beschl. v. 27.4.2016 – AnwZ [Brfg] 3/16) bekräftigt, nach der ein anwaltliches Mandat, das sich über mehrere Instanzen erstreckt, nur einen Fall i.S.d. Fachanwaltsordnung darstellt. Unter einem "Fall" sei jede juristische Aufarbeitung eines einheitlichen Lebenssachverhalts zu verstehen, der sich von anderen Lebenssachverhalten dadurch unterscheidet, dass die zu beurteilenden Tatsachen und die Beteiligten verschieden sind. Ebenso wie Angelegenheiten, die ein Anwalt sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich bearbeite, nur als ein Fall zählten, scheide eine Doppelzählung bei einem Mandat aus, das sich auf mehrere Gerichtsinstanzen erstrecke. Auch führe der Umstand, dass ein Fall in eine höhere Instanz gelangt, nicht zwingend zu einer höheren Gewichtung nach § 5 Abs. 4 FAO. Da die zusätzliche Fallbearbeitung in einem Berufungs- oder sonstigen Rechtsmittelverfahren nicht schon für sich genommen eine Gewähr dafür biete, dass der Rechtsanwalt hierbei in dem betreffenden Fachgebiet besondere praktische Erfahrungen erwerbe, die über diejenigen eines "durchschnittlichen" Falls hinausgehen, komme eine schematische Aufwertung nicht in Betracht. Anlass für eine Höhergewichtung bestünde insb. nicht, wenn die Sache in zweiter Instanz nicht rechtlich auf "neue Beine" gestellt werde. Wesentlich sei vielmehr, ob sich aus dem Vortrag des jeweiligen Antragstellers ergebe, dass der Fall durch seine Bearbeitung in mehreren Instanzen eine höhere Gewichtung verdiene.
2. Keine mehrfache Anrechnung ein und derselben Fachanwaltsfortbildung
In einer aktuellen Entscheidung musste der BGH (Beschl. v. 28.10.2019 – AnwZ [Brfg] 14/19) die Frage beantworten, ob die Teilnahme an einer Kombinations- bzw. fachgebietsübergreifenden Veranstaltung i.R.d. § 15 Abs. 3 FAO ("Die Gesamtdauer der Fortbildung darf je Fachgebiet 15 Zeitstunden nicht unterschreiten.") gleichzeitig vollständig auf mehrere Fachanwaltsbezeichnungen angerechnet werden darf. Nach Ansicht des Anwaltssenats ergibt sich aus dem Wortlaut ("je Fachgebiet"), dass in jedem Fachgebiet jeweils das volle Stundenkontingent zu erbringen ist, d.h., dass bei zwei oder drei Fachanwaltsbezeichnungen insgesamt mindestens 30 bzw. 45 Fortbildungszeitstunden erbracht und nachgewiesen werden müssen. Eine solche Auslegung sei auch zum Schutz des rechtsuchenden Publikums gefordert. Verfüge ein Rechtsanwalt über die Erlaubnis, mehrere Fachanwaltsbezeichnungen zu führen, nehme er nicht nur im Vergleich zu anderen Anwälten ohne Fachanwaltsbezeichnung eine besondere Qualifikation auf den jeweiligen Gebieten in Anspruch, sondern auch gegenüber Anwälten mit nur einer Fachanwaltsbezeichnung. Die berechtigte Erwartung in eine weitergehende Qualifikation des Rechtsanwalts mit mehreren Fachanwaltsbezeichnungen aufgrund seiner dauerhaften intensiven Befassung mit jedem der betreffenden Spezialgebiete wäre im Fall einer Mehrfachanrechnung ein und derselben Fortbildung nicht mehr erfüllt. Vielmehr sei eine für den Rechtsuchenden nicht erkennbare und von ihm auch nicht erwartete Angleichung des Qualitätsstandards am denjenigen eines Rechtsanwalts mit nur einem Fachanwaltstitel zu fürchten. Die Ausführungen zum Schutzzweck des § 15 FAO klingen angesichts der Tatsache, dass durch die formalisierte Nachweispflicht ohnehin allenfalls ein Mindeststandard der fachlichen Qualifizierung geschaffen wurde, etwas hochtrabend. Gleichwohl ist die Entscheidung des BGH vor dem Hintergrund der in der Entscheidung ebenfalls ausführlich dargelegten Entstehungsgeschichte und des eindeutigen Regelungswillens der Satzungsversammlung zwingend.