Nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten. Die Bestimmung soll in erster Linie gewährleisten, dass die Finanzierung notwendiger öffentlicher Aufgaben nicht gefährdet wird (vgl. Gatz, Vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO, ZAP F. 19, S. 905, 906 f.).
Mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben bezweckt der Gesetzgeber die Sicherstellung des stetigen Zuflusses von Finanzmitteln für die öffentlichen Haushalte, aus deren Aufkommen die Gegenleistung für die umstrittene Abgabe im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung regelmäßig bereits erbracht oder alsbald zu erbringen ist. Er hat damit für diesen Bereich das öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug generell höher bewertet als das private Interesse an einer vorläufigen Befreiung von der Leistungspflicht. Dieser gesetzgeberischen Wertung entspricht es, dass Abgaben im Zweifel zunächst zu erbringen sind und dass das Risiko, im Ergebnis möglicherweise zu Unrecht in Vorleistung treten zu müssen, den Zahlungspflichtigen trifft. Unzumutbare, mit dem Gebot der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbare Erschwernisse ergeben sich dadurch nicht. Durch eine vorläufige, zu Unrecht erbrachte Zahlung eintretende wirtschaftliche Nachteile werden durch die Rückzahlung der Abgabe weitestgehend ausgeglichen; es werden somit keine irreparablen Verhältnisse geschaffen (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 23.8.2012 – 15 B 894/12).
Die aufschiebende Wirkung entfällt nur unter zwei Voraussetzungen:
- Es muss sich um eine öffentliche Abgabe oder um öffentliche Kosten handeln und
- diese müssen nicht nur festgesetzt, sondern auch in einer spezifischen Weise angefordert worden sein (vgl. Quaas u.a., Prozesse in Verwaltungssachen, 3. Aufl. 2018, § 4 Rn 126), z.B. durch Heranziehungsbescheid, Steuerbescheid, Gebührenbescheid oder Beitragsbescheid (s. Finkelnburg u.a., Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn 691).
Unter öffentlichen Abgaben sind zunächst Steuern, Gebühren und Beiträge im klassischen Sinn zu verstehen. Darüber hinaus sieht ein großer Teil der Rechtsprechung jegliche öffentlich-rechtliche Geldleistungspflicht mit Finanzierungsfunktion für einen öffentlichen Haushalt, die nicht gänzlich untergeordneter Zweck ist, als eine Abgabe i.S.d. Nr. 1 an (vgl. Redeker/von Oertzen, Kommentar zur VwGO, 16. Aufl. 2014, § 80 Rn 15 m.w.N.). Die Abgabe muss aber nicht primär auf die staatliche Einnahmeerzielung ausgerichtet sein. Es reicht aus, wenn die öffentliche Geldlast neben anderen Funktionen – etwa einer Lenkungs-, Antriebs-, Zwangs- oder Straffunktion – auch die der Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs besitzt (vgl. Sodan/Ziekow, Kommentar zur VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn 58 m.w.N.). Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit öffentlich-rechtlicher Abgaben sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.7.2003 – 2 BvL 1/99, BVerfGE 108, 186, 235 f).
Beispiel:
Eine Steuer ist beispielsweise auch die vielfach angefochtene "neue" Rundfunkabgabe (vgl. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 10. Aufl. 2016, § 32 Rn 10 m.w.N.). Der mit der Erhebung des Rundfunkbeitrags ausgeglichene Vorteil soll in der Möglichkeit liegen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen zu können (BVerfG, Urt. v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16).
§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO erfasst auch den Fall der Geltendmachung von Steuerrückständen mittels Haftungsbescheids. Denn der Haftungsbescheid nach § 191 AO erfüllt ebenso wie der Steuerbescheid den Zweck, die Erfüllung der finanziellen Verpflichtungen der öffentlichen Hand zu sichern (VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 13.12.2012 – 5 L 1218/12).
Keine Kosten i.S.d. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO sind die i.V.m. einer Sachentscheidung in einem Verwaltungsakt oder Widerspruchsbescheid aufgrund einer Kostenentscheidung anfallenden unselbstständigen Kosten. Auch von einer Gemeinde aufgewandte Bestattungskosten sind keine solchen Kosten (vgl. Schenke, Kommentar zur VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn 63 m.w.N.). Soweit nach der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung die Kosten einer Ersatzvornahme keine öffentlichen Kosten i.S.d. § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind und deren Geltendmachung auch keine Vollstreckungsmaßnahme i.S.d. § 80 Abs. 2 S. 2 VwGO ist (vgl. u.a. OVG Koblenz, Beschl. v. 28.7.1998 – 1 B 11553/98; OVG Berlin, Beschl. v. 13.4.1995 – 2 S 3.95), bezieht sich dies ausschließlich auf die bei der Ersatzvornahme anfallenden Auslagen und Kosten der Vollstreckungsbehörde, nicht dagegen auf eine in Zusammenhang mit der Vollstreckung zusätzlich anfallende Verwaltungsgebühr (VG Köln, Beschl. v. 20.07. 2012 – 25 L 152/10).
Praxishinweis:
Rechtsbehelfen gegen Sachentscheidungen kommt in keinem Fall eine aufschiebende Wirkung (auch) im Hinblick auf damit zusammenhängende (Verwaltungs-)Kostenentscheidungen zu. Diese sind vielmehr stets nach § 80 Abs....