Der im vergangenen Jahr in Kraft getretene Berliner Mietendeckel verstößt gegen das Grundgesetz. Das entschied das Bundesverfassungsgericht mit einem Mitte April bekanntgewordenem Beschluss aus dem März dieses Jahres und erklärte das Landesgesetz auf Antrag mehrerer Bundestagsabgeordneter für nichtig. Die konkurrierende Gesetzgebung im Mietrecht erlaube, so die Verfassungsrichter, keine eigenen Länderregelungen, da der Bund von seiner Kompetenz abschließend Gebrauch gemacht habe (BVerfG, Beschl. v. 25.3.2021 – 2 BvF 1/20, 2 BvL 5/20, 2 BvL 4/20, ZAP EN-Nr. 278/2021 [Hinw. der Red.: in dieser Ausgabe ZAP 10/2021, F. 1, S. 78]).
Mit dem im Februar vergangenen Jahres in Kraft getretenen Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) – einer bundesweit einmaligen Regelung – hatte der Berliner Senat versucht, den teilweise rasanten Anstieg der Wohnungsmieten in der Hauptstadt zu deckeln. Ihm ging die bundesweite Mietpreisbremse, die seit 2015 in besonders begehrten und teuren Wohngegenden verhängt werden kann, nicht weit genug. Mit dem sog. Mietendeckel-Gesetz „fror” er deshalb die Mieten für rund 1,5 Mio. Wohnungen in Berlin ganz ein, um einen weiteren Anstieg aufzuhalten.
Zu diesem Zweck sah der Mietendeckel gleich drei Regelungskomplexe vor:
- einen Mietenstopp, der eine Miete verbot, die die am 18.6.2019 (Stichtag) wirksam vereinbarte Miete überschritt,
- eine lageunabhängige Mietobergrenze bei Wiedervermietungen, wobei gebäude- und ausstattungsbezogene Zuschläge sowie bestimmte Modernisierungsumlagen erlaubt waren, sowie
- ein gesetzliches Verbot überhöhter Mieten.
Neubauten, die ab dem Januar 2014 erstmalig bezugsfertig wurden, waren hingegen von den Restriktionen ausgenommen.
Hiergegen klagten mehr als 280 Bundestagsabgeordnete aus den Fraktionen der FDP und der Union. Mit ihrem gemeinsamen Normenkontrollantrag wollten sie erreichen, dass zentrale Passagen des Gesetzes für nichtig erklärt werden. Ihrer Ansicht nach sind einzelne Bundesländer nicht befugt, im bundesrechtlich abschließenden Mietrecht einen eigenen Weg zu gehen. Mit Erfolg: Auch das Bundesverfassungsgericht ist der Meinung, dass alle Regelungen zur Miethöhe für den frei finanzierten Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden kann (sog. ungebundener Wohnraum), in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit fallen. Die Länder seien hier nur zur Gesetzgebung befugt, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht habe; das jedoch sei beim Mietpreisrecht der Fall, so die Verfassungsrichter.
Diese abschließende Regelung durch den Bund wird vom BVerfG in seinem Beschluss (a.a.O.) ausführlich begründet: Schon die Regelungsintensität und die Regelungsdichte der bundesgesetzlichen Vorschriften legten nahe, dass es sich bei den §§ 556 ff. BGB um eine umfassende und abschließende Regelung handele. Die §§ 556 ff. BGB enthielten zudem keine Regelungsvorbehalte, Öffnungsklauseln oder Ermächtigungsvorschriften, die den Ländern den Erlass eigener oder abweichender mietpreisrechtlicher Vorschriften ermöglichen würden. Das ausdifferenzierte Regelungssystem und der Zusammenhang mit dem Kündigungsschutzrecht machten vielmehr deutlich, dass der Bundesgesetzgeber eine abschließende Regelung habe treffen wollen. Das werde durch die in § 556d Abs. 2 BGB normierte Verordnungsermächtigung nicht in Frage gestellt. Die Länder führten insoweit lediglich eine Regelung aus, die der Bund ausweislich Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG nach Inhalt, Zweck und Ausmaß inhaltlich weitgehend determiniert habe; eine eigenständige Regelungsbefugnis sei damit nicht verbunden.
Mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz vom April 2015 sei zudem die sog. Mietpreisbremse erstmals in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen worden (§§ 556d ff. BGB). Der Begründung des Gesetzentwurfs lasse sich eine umfassende Abwägung aller berührten Belange entnehmen, und damit das Ziel eines abschließenden Interessenausgleichs zwischen den Mietvertragsparteien, der in der Folgezeit mehrfach nachjustiert worden sei. Da der Bundesgesetzgeber von seiner konkurrierenden Kompetenz jedenfalls im Hinblick auf die Festlegung der höchstzulässigen Miete bei ungebundenem Wohnraum abschließend Gebrauch gemacht habe, seien die Länder folglich von Regelungen der Miethöhe in diesem Bereich ausgeschlossen. Das Berliner MietenWoG sei daher mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 72 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig.
Die Reaktionen auf das Karlsruher Verdikt waren geteilt. Während etwa Bundesinnenminister Seehofer, zu dessen Ressort auch das Baurecht zählt, Zustimmung ausdrückte und den Mietendeckel nochmals als „völlig falschen Weg” bezeichnete, riefen sowohl der Berliner Senat als auch der Deutsche Mieterbund den Bund dazu auf, jetzt schnellstmöglich ein Mietpreisrecht zu schaffen, das die „Mietenexplosion” in vielen deutschen Städten wirksam stoppe. Nicht wenige der betroffenen Mieter in Berlin müssen nun fürchten, dass für sie Mietnachzahlungen fällig werde...