In zwei Urteilen vom 20.2.2020 befasst sich das BVerwG mit den Folgerungen der „Gnandi”-Entscheidung des EuGH (InfAuslR 2018, 428 ff.) für die Verbindung einer Asylablehnung als einfach (1 C 1.19, BVerwGE 167, 366 ff. = InfAuslR 2020, 297 ff.) bzw. offensichtlich unbegründet (1 C 19.19, BVerwGE 167, 383 ff. = InfAuslR 2020, 291 ff.) mit einer asylrechtlichen Abschiebungsandrohung. Der EuGH hatte entschieden, dass die Richtlinie 2008/115/EG (sog. Rückführungsrichtlinie) i.V.m. der Richtlinie 2005/85/EG (sog. Asylverfahrensrichtlinie; neugefasst durch Richtlinie 2013/32/EU) im Licht des Grundsatzes der Nichtzurückweisung und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Art. 18, 19 Abs. 2 und Art. 47 GRC) dem Erlass einer Rückkehrentscheidung gemeinsam mit der Ablehnung des Schutzantrags nicht schlechthin entgegenstehe. Der betreffende Mitgliedstaat müsse aber gewährleisten, dass alle Rechtswirkungen der Rückkehrentscheidung bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf gegen die Ablehnung ausgesetzt werden, dass der Antragsteller während dieses Zeitraums in den Genuss der Rechte aus der Richtlinie 2003/9/EG (sog. Aufnahmerichtlinie; neugefasst durch Richtlinie 2013/33/EU) kommen könne und dass er sich auf jede nach Erlass der Rückkehrentscheidung eingetretene Änderung der Umstände berufen könne; auch müsse sichergestellt sein, dass der Ausländer nicht zwecks Abschiebung in Haft genommen werde. Aus dem Gebot, dass alle Rechtswirkungen der Rückkehrentscheidung auszusetzen seien, folge insb., dass die in Art. 7 RL 2008/115/EG vorgesehene Frist für die freiwillige Ausreise nicht zu laufen beginne, solange der Betroffene ein Bleiberecht habe.
Nach dem Urteil des BVerwG im Verfahren 1 C 1.19 ist der gleichzeitige Erlass einer einfachen Asylablehnung und einer Abschiebungsandrohung mit einer Ausreisefrist, die – wie in § 38 Abs. 1 S. 1 AsylG vorgesehen und im Streitfall durch das Bundesamt verfügt – mit der Bekanntgabe der Entscheidung beginnt, mit den vom EuGH herausgearbeiteten Verfahrensgarantien nicht vereinbar. Insoweit werde die Vorgabe, dass Rechtsmittelfrist und Ausreisefrist nicht gleichzeitig laufen dürften, nicht eingehalten. Diese anfängliche objektive Unionsrechtswidrigkeit führte im Streitfall indes nicht zur Aufhebung der Abschiebungsandrohung durch das BVerwG, weil die durch das Bundesamt verfügte Ausreisefrist mit Klageerhebung gem. § 38 Abs. 1 S. 2 AsylG kraft Gesetzes erst 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens ende und damit durch eine unionsrechtskonforme Fristsetzung ersetzt worden sei. Diese neue Regelung der Ausreisefrist verletze den Kläger nicht in seinen Rechten.
In dem Urteil im Verfahren 1 C 19.19 stellt das BVerwG zunächst heraus, dass die unionsrechtlich geforderten Verfahrens-, Schutz- und Teilhaberechte auf Fälle der „qualifizierten” Antragsablehnung als offensichtlich unbegründet mit der Maßgabe zu übertragen seien, dass die Rechtswirkungen der Rückkehrentscheidung nur bis zur Entscheidung über ein vorläufiges Bleiberecht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, mithin nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens auszusetzen seien. Hieran anknüpfend stellt das BVerwG fest, dass die vom Bundesamt im Falle der Verbindung der Abschiebungsandrohung mit der Entscheidung, den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, im Einklang mit § 36 AsylG gesetzte einwöchige Frist zur freiwilligen Ausreise jedenfalls deswegen objektiv rechtwidrig sei, weil sie mit der Bekanntgabe der ablehnenden Asylentscheidung zu laufen begonnen habe. Ob in einer solchen Konstellation das Vollstreckungsverbot nach § 36 Abs. 3 S. 8 AsylG den unionsrechtlichen Anforderungen an ein Bleiberecht genüge, hat das BVerwG ebenso ausdrücklich offen gelassen wie die Frage, ob die Fortgeltung der Rechte als Asylbewerber nach der Richtlinie 2003/9/EG bzw. 2013/33/EU und die Nichtverhängung von Abschiebungshaft hinreichend gewährleistet seien. Hierauf kam es im Streitfall nicht entscheidungserheblich an, weil das Bundesamt die Vollziehung der Abschiebungsandrohung nach § 80 Abs. 4 S. 1 VwGO (bis zum unanfechtbaren Abschluss des Klageverfahrens) ausgesetzt hatte. Durch diese Aussetzung, die auch noch nach Ablauf der ursprünglich gesetzten Ausreisefrist möglich sei, sei die zunächst festgesetzte Ausreisefrist kraft Gesetzes (§ 59 Abs. 1 S. 6 AufenthG) ersetzt worden durch eine Wochenfrist, deren Lauf (erneut) mit dem unanfechtbaren Abschluss des Klageverfahrens beginne. Hiermit seien auch sonst die Wirkungen der Abschiebungsandrohung ex tunc ausgesetzt, so dass der Rechtsbehelf gegen die Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz seine volle Wirksamkeit entfalte. Im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung habe die zunächst objektiv unionsrechtswidrig erlassene Abschiebungsandrohung daher den unionsrechtlichen Anforderungen entsprochen, weshalb der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt sei.