Lebt ein Unionsbürgerkind in einem anderen EU-Mitgliedstaat als dem, dessen Staatsangehörigkeit es besitzt, gewährt das FreizügG/EU bzw. die diesem Gesetz zugrunde liegende Richtlinie 2004/38/EG (sog. Unionsbürgerrichtlinie) dem drittstaatsangehörigen Elternteil des Unionsbürgerkindes nur dann ein von diesem abgeleitetes Freizügigkeitsrecht, wenn das Kind dem Elternteil Unterhalt gewährt. Eine Unterhaltsgewährung durch ein Kind, zumal im Kleinkindalter, dürfte in der Lebenswirklichkeit indes nicht den Regelfall darstellen. In derartigen Fallkonstellationen kommt ein Aufenthaltsrecht des drittstaatsangehörigen Elternteils nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union – EuGH (vgl. nur InfAuslR 2013, 410 ff.) aber auf der Grundlage des Art. 21 Abs. 1 AEUV in Betracht. Voraussetzung hierfür ist, dass der drittstaatsangehörige Elternteil tatsächlich für das Kind sorgt und dieses über ausreichende Existenzmittel i.S.v. Art. 7 Abs. 1 Buchst. b) RL 2004/38/EG verfügt.
Aufbauend auf dieser Rechtsprechung des EuGH stellt das BVerwG in dem Urt. v. 23.9.2020 (1 C 27.19, NVwZ 2021, 164 ff. = InfAuslR 2021, 50 ff.) heraus, dass dem drittstaatsangehörigen Elternteil ein Aufenthaltsrecht nach Art. 21 Abs. 1 AEUV nur dann zustehen könne, wenn das Kind im Aufnahmemitgliedstaat aus eigenem Recht freizügigkeitsberechtigt sei; ein lediglich vom anderen Elternteil abgeleitetes Freizügigkeitsrecht reiche insoweit nicht aus. Das Unionsbürgerkind müsse daher insb. in eigener Person über ausreichende Existenzmittel i.S.v. Art. 7 Abs. 1 Buchst. b) RL 2004/38/EG verfügen. Insoweit genüge es aber, wenn diese Mittel dem Unionsbürgerkind tatsächlich zur Verfügung stünden, auch wenn sie letztlich vom drittstaatsangehörigen Elternteil stammten. Das BVerwG weist ferner darauf hin, dass dem drittstaatsangehörigen Elternteil, der sich auf ein abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 21 Abs. 1 AEUV beruft, ein fehlendes Erwerbseinkommen zur Sicherung der Existenzmittel des Unionsbürgerkindes jedenfalls dann nicht entgegengehalten werden könne, wenn er sich tatsächlich und nachhaltig um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherung der Existenzmittel für das Unionsbürgerkind bemüht habe, ihm die Ausübung einer Erwerbstätigkeit aber von der Ausländerbehörde verwehrt worden sei.
Hinweis:
Das aus Art. 21 Abs. 1 AEUV hergeleitete Aufenthaltsrecht steht auf einer Stufe mit den Freizügigkeitsrechten aus der Unionsbürgerrichtlinie und vermittelt dem drittstaatsangehörigen Elternteil unter den vorstehenden Voraussetzungen ein Freizügigkeitsrecht i.S.d. § 2 Abs. 1 FreizügG/EU, dem die Möglichkeit der Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels nicht entgegensteht. Das Bestehen eines solchen Aufenthaltsrechts wird durch die Ausstellung einer Aufenthaltskarte nach § 5 FreizügG/EU (deklaratorisch) bescheinigt. Dabei handelt es sich nicht um einen feststellenden Verwaltungsakt, sondern um schlicht hoheitliches Handeln, das mit der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen ist.