§ 10 AsylG begründet besondere Vorsorge- und Mitwirkungsobliegenheiten, bei deren Verletzung der Ausländer mit für ihn nachteiligen rechtlichen Konsequenzen rechnen muss. Nach § 10 Abs. 1 AsylG hat er während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen des Bundesamtes, der zuständigen Ausländerbehörde und der angerufenen Gerichte stets erreichen können; insb. hat er diesen Stellen jeden Wechsel seiner Anschrift unverzüglich anzuzeigen. Verletzt der Ausländer diese – ihm in seinem eigenen Interesse an einer zügigen Bearbeitung seines Asylantrags auferlegte – Obliegenheit, muss er damit rechnen und über die Regelungen in § 10 Abs. 2 AsylG hinnehmen, dass ihn Mitteilungen im Asylverfahren nicht erreichen, ohne dass er sich hierauf berufen kann. Insbesondere muss er nach § 10 Abs. 2 S. 1 AsylG Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle aufgrund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. Das Gleiche gilt, wenn die letzte bekannte Anschrift, unter der der Ausländer wohnt oder zu wohnen verpflichtet ist, durch eine öffentliche Stelle mitgeteilt worden ist (S. 2). Kann die Sendung dem Ausländer nicht zugestellt werden, so gilt die Zustellung mit der Aufgabe zur Post als bewirkt, selbst wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt (S. 4). Diese Zustellungsfiktionen dienen der Vermeidung von Verzögerungen im Asylverfahren und der Behebung von Zustellungsschwierigkeiten bei unbekanntem Aufenthalt des Ausländers (vgl. BT-Drucks 9/875, S. 18, zur Vorgängerregelung in § 12 AsylVfG 1982).
In dem Urteil vom 20.8.2020 (1 C 28.19, InfAuslR 2021, 23 ff.) stellt das BVerwG zunächst heraus, dass die Obliegenheit, jede Anschriftenänderung unverzüglich mitzuteilen, auch dann bestehe, wenn dem Bundesamt die zuletzt bekannte Anschrift nicht vom Ausländer, sondern von einer öffentlichen Stelle mitgeteilt worden sei und der Ausländer danach erneut umziehe. Versäumt es der Ausländer, dem Bundesamt spätere Anschriftenänderungen (unverzüglich) mitzuteilen, reiche es für die Anwendung des § 10 Abs. 2 S. 2 AsylG aus, wenn der Ausländer bei Zugang der Mitteilung der öffentlichen Stelle beim Bundesamt unter der zutreffend mitgeteilten Anschrift wohnte. Nicht erforderlich sei jedenfalls, dass die von einer öffentlichen Stelle mitgeteilte Anschrift auch noch im Zeitpunkt des Zustellversuchs aktuell sei. Das Bundesamt sei auch nicht verpflichtet, Nachforschungen zum aktuellen Aufenthaltsort des Ausländers zu betreiben, insb. müsse es keine Auskunft aus dem Ausländerzentralregister einholen. Dies gilt selbst dann, wenn das Bundesamt aufgrund der tatsächlichen Nichtzustellbarkeit früherer Schreiben damit rechnen müsse, dass der Ausländer unter der letzten bekannten Anschrift nicht mehr erreichbar sei.
Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG (InfAuslR 1994, 324) führt das BVerwG in der Entscheidung ferner aus, dass gegen die gesetzlichen Zustellungsfiktionen des § 10 Abs. 2 AsylG von Verfassungs wegen nichts zu erinnern sei, wenn der Betroffene über sie in qualifizierter Weise belehrt worden sei. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine solche qualifizierte Belehrung sieht das BVerwG durch die vom Bundesamt fallübergreifend verwendete „Wichtige Mitteilung – Belehrung für Erstantragsteller über Mitwirkungspflichten – und Allgemeine Verfahrenshinweise” als erfüllt an. Darüber hinaus verstoße § 10 Abs. 2 AsylG weder gegen Art. 13 RL 2013/32/EU noch gegen das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 46 RL 2013/32/EU und Art. 47 GRC noch gegen das asyl- und das menschenrechtliche Refoulement-Verbot nach Art. 18 und 19 Abs. 2 GRC und Art. 3 EMRK.
Schließlich bestätigt das BVerwG seine Rechtsprechung (vgl. BVerwGE 163, 26 ff. = InfAuslR 2018, 441 ff.) zur Richtigkeit der vom Bundesamt verwendeten Rechtsmittelbelehrung, nämlich dass der Zusatz, die Klage müsse „in deutscher Sprache abgefasst” sein, die Belehrung nicht unrichtig mache. Dies gelte nicht nur in Bezug auf eine zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mögliche Klageerhebung, sondern auch für die Möglichkeit der Einreichung einer Klage durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments, ohne dass es darauf ankomme, ob es sich hierbei um eine neue Form der Klageerhebung oder lediglich um eine weitere Möglichkeit zur Übermittlung eines schriftlichen Dokuments und damit um einen Unterfall der Schriftform handele. Denn auch bei einer möglichen Klageerhebung im elektronischen Rechtsverkehr müsse das in die elektronische Poststelle des jeweiligen Gerichts zu übertragende elektronische Dokument in deutscher Sprache übermittelt werden. Der Begriff „abfassen” beziehe sich nicht zwingend auf ein Schriftstück im herkömmlichen Sinne, sondern umfasse auch diesem kraft Gesetzes gleichgestellte elektronische Dokumente.