a) Unbedingter Auftrag
Für die Wahlanwaltsvergütung ist nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG zunächst einmal auf das Datum der unbedingten Auftragserteilung zur jeweiligen Angelegenheit abzustellen. Ist der unbedingte Auftrag vor dem 1.1.2021 erteilt worden, gilt vorbehaltlich § 60 Abs. 1 S. 5 RVG (s.u. 5) altes Recht; ist er nach dem 31.12.2020 erteilt worden, gilt neues Recht.
Beispiel:
Der Anwalt ist im Dezember 2020 beauftragt worden, eine Klage einzureichen. Nach Freigabe durch den Mandanten wird die Klage im Januar 2021 eingereicht.
Maßgebend ist der Auftrag im Dezember 2020. Für den Anwalt des Klägers gilt daher noch altes Recht.
Da die Frage des anzuwendenden Vergütungsrecht für jeden Anwalt gesondert nach § 60 RVG zu prüfen ist, kann es dazu kommen, dass der eine Anwalt noch nach altem Recht abrechnet, der andere dagegen bereits nach neuem Recht.
Beispiel:
Im vorangegangenen Beispiel beauftragt der Beklagte nach Zustellung der Klage einen Anwalt mit der Abwehr der Klage.
Maßgebend für den Anwalt des Beklagten ist sein Auftrag, der logischerweise in 2021 liegen muss. Für ihn gilt daher bereits neues Recht.
b) Bedingter Auftrag
War lediglich ein bedingter Auftrag erteilt worden, so ist nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG der spätere Zeitpunkt des Bedingungseintritts (§ 158 Abs. 1 BGB) maßgebend.
Häufigster Anwendungsfall ist der, dass der Anwalt mit einer bestimmten Tätigkeit beauftragt wird und für den Fall, dass diese zu keinem Erfolg führe, er bereits den Auftrag zu weiterer Tätigkeit erhält.
Beispiel:
Der Anwalt hatte vom Mandanten im Dezember 2020 den Auftrag erhalten, den Schuldner anzumahnen, und für den Fall, dass dieser nicht bis zum 4.1.2020 zahle, Klage zu erheben.
Die außergerichtliche Tätigkeit richtet sich nach altem Recht, da der unbedingte Auftrag hierzu noch vor dem 1.1.2021 erteilt worden ist. Der Auftrag zur Klage ist zwar auch noch vor dem 1.1.2021 erteilt worden; er stand jedoch unter einer Bedingung, nämlich der Nichtzahlung seitens des Schuldners. Erst mit dem Eintritt der Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB), also mit Ablauf des 4.1.2021, wurde dieser Auftrag zu einem unbedingten. Damit gilt insoweit also neues Recht.
Gleiches gilt für einen Auftrag zum Mahnverfahren und den gleichzeitig bedingten Auftrag zur Durchführung des streitigen Verfahrens, da es sich um zwei verschiedene Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG handelt (§ 17 Nr. 2 RVG). Der Anwalt erhält für das Mahnverfahren die Vergütung nach altem Recht, für das streitige Verfahren nach neuem Recht, wenn die Bedingung (Mitteilung des Widerspruchs) erst nach dem Stichtag eingetreten ist.
Hiervon zu unterscheiden ist eine Bedingung innerhalb der Angelegenheit. In diesem Fall bleibt es bei dem bisherigen Recht.
Beispiel:
Der Anwalt hatte vom Mandanten im Dezember 2020 den Auftrag erhalten, dem Schuldner die Zwangsvollstreckung anzudrohen, wenn dieser nicht bis zum 4.1.2021 zahle. Der Schuldner zahlte nicht, sodass das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft eingeleitet wurde.
Die Vergütung für das Verfahren auf Einleitung der Vermögensauskunft (Nr. 3309 VV) richtet sich nach altem Recht, da der Auftrag zur Vollstreckungsandrohung maßgebend ist. Androhung (als Vorbereitung) und Durchführung der Zwangsvollstreckung sind gem. 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG dieselbe Angelegenheit (zuletzt AG Heilbronn AGS 2020, 512). Mit dem Eintritt der Bedingung für die Durchführung der Zwangsvollstreckung ist daher keine neue Angelegenheit ausgelöst worden.
Erteilt der Auftraggeber dem Anwalt zunächst nur den Auftrag, Prozesskostenhilfe zu beantragen und für den Fall der Bewilligung den Prozessauftrag, so liegt zwar ein bedingter Auftrag vor; gebührenrechtlich ist dies jedoch irrelevant, da das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren bereits zum Rechtszug gehört (§ 16 Nr. 2 RVG). Nähere Ausführungen s. unter III. „Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren”.
c) Aufhebung der Sonderregelung für Rechtsmittelverfahren
Die bisherige Sonderregelung für Rechtsmittelverfahren (§ 60 Abs. 1 S. 2 a.F. RVG) hat der Gesetzgeber endlich aufgegeben. Eine solche Sonderregelung war eigentlich auch nie nicht erforderlich gewesen, da ein Rechtsmittelverfahren nach § 17 Nr. 1 RVG stets eine eigene Angelegenheit darstellt und daher bereits durch die allgemeine Übergangsregelung des § 60 Abs. 1 S. 1 RVG erfasst wurde. Die besondere Regelung für Rechtsmittelverfahren hatte nur zu Problemen und Ungleichbehandlungen geführt.