Wird ein kraftfahrzeugführender Betroffener, bei dem im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle angesichts des Antreffens im grenznahen Gebiet zu den Niederlanden und aufgrund stark erweiterter Pupillen ohne Reaktion und starkem Lidflattern der Anfangsverdacht für eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG besteht, ohne vorangegangene Belehrung zunächst befragt wird, „ob er etwas genommen habe”, verstößt dies gegen §§ 136 Abs. 1 S. 2, 163a Abs. 4 StPO, 46 Abs. 1 OWiG. Ob über die Unverwertbarkeit der Angaben des nicht ordnungsgemäß belehrten Betroffenen hinaus ein Beweisverwertungsverbot Fernwirkung bzgl. anderer Beweismittel (hier insb.: Ergebnis der Blutprobe, der sich der Betroffene „freiwillig” unterzogen hat) besteht, ist umstritten. Selbst, wenn man eine solche Fernwirkung – noch dazu im Ordnungswidrigkeitenrecht – bejahen wollte, so lässt sich eine allgemeingültige Regel, wann ein Beweisverwertungsverbot über das unmittelbar gewonnene Beweisergebnis hinausreicht und wo seine Grenzen zu ziehen sind, nicht aufstellen. Die Grenzen richten sich nicht nur nach der Sachlage und Art und Schwere des Verstoßes, sondern auch nach der Kausalität der unzulässig erlangten Erkenntnisse für die weiteren Ermittlungen und die schließliche Überführung des Betroffenen (OLG Hamm DAR 2020, 699 = VRR 6/2020, 18/StRR 7/2020, 18 [jew. Urbanczyk] = NZV 2021, 162 [Krenberger]).
3. Bußgeldrechtliches Fahrverbot (§§ 25 StVG, 4 BKatV)
Hinweis:
Zu Rechtsgrundlagen und Systematik des bußgeldrechtlichen Fahrverbots wird verwiesen auf Deutscher, in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl. 2021, Rn 1508 ff., 1732 ff. Zur Entwicklung des straßenverkehrsrechtlichen Fahrverbotes im Jahr 2020 Deutscher NZV 2021, 115. Das Fahrverbot in Bußgeldsachen als Verkehrserziehungsmaßnahme erörtert Krenberger NZV 2021, 26.
a) Tatbestand des Fahrverbots
aa) Regelfälle
Grundsätzlich ist der Tatrichter gehalten, die Angaben des Betroffenen, die einen Ausnahmefall wegen Augenblicksversagen begründen können, nicht einfach ungeprüft zu übernehmen, sondern diese kritisch zu hinterfragen, um missbräuchlichen Vortrag auszuschließen (OLG Zweibrücken zfs 2021, 113). Das plötzliche Aufleuchten einer Kontrollleuchte im Fahrzeug allein rechtfertigt nicht den Wegfall des wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes verwirkten Fahrverbots unter dem Gesichtspunkt eines sog. Augenblicksversagens, wenn konkrete Feststellungen dazu fehlen, welche Warnleuchten aufleuchteten, ob und ggf. welche sonstigen Auffälligkeiten am Fahrzeug des Betroffenen plötzlich auftraten, in welcher zeitlichen Phase der Annäherung an die Ampelanlage dies erfolgte und wie sich das sonstige Verkehrsgeschehen darstellte (BayObLG DAR 2021, 159 m. Anm. Krenberger). Eine noch nicht rechtskräftige Ahndung wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit kann im Rahmen der Beurteilung, ob eine nicht durch den Regelfall des § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV indizierte Beharrlichkeit vorliegt, auch dann berücksichtigt werden, wenn dem Betroffenen das Unrecht der früheren Tat auf andere Weise bewusst geworden war. Dies ist etwa dann anzunehmen, wenn der Betroffene von deren Verfolgung durch die polizeiliche Anhaltung unmittelbar nach der Messung, dem nachweislichen Erhalt eines Anhörungsbogens oder die Zustellung eines Bußgeldbescheides bereits Kenntnis erlangt hatte (BayObLG VRR 2/2021, 20 [Deutscher]).
bb) Nicht-Regelfälle
Das BayObLG (VRR 1/2021, 17 [abl. Deutscher]) hat seine Ansicht bekräftigt, der Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO (Benutzung elektronischer Geräte) stehe wegen seiner massiven Steigerung des Gefährdungspotenzials für Leib und Leben Dritter wertungsmäßig anderen typischen Massenverstößen wie Geschwindigkeitsüberschreitungen und Abstandsunterschreitungen auch dann gleich, wenn die Voraussetzungen eines Regelfahrverbots nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BKatV i.V.m. Nrn. 246.2 und 246.3 BKat nicht gegeben sind. Dabei sei es ohne Bedeutung, ob dieser Verstoß Vortat oder Anlasstat ist.
b) Angemessenheit des Fahrverbots
Es ist auch dann nicht rechtsfehlerhaft, auf das Regelfahrverbot zu erkennen, wenn der Betroffene geltend macht, es belaste ihn zurzeit konjunkturbedingt härter (hier: COVID-19; KG BA 58, 43 = NZV 2021, 160 [Krenberger]; vgl. Fromm DAR 2021, 51, 53)
c) Dauer des Fahrverbots
Erfüllt eine Tat zwei Fahrverbotsregeltatbestände, so verbietet sich eine unreflektierte Verdoppelung zu einem zweimonatigen Fahrverbot. Die Erhöhung des Fahrverbots über die Dauer eines Monats hinaus kommt aber in Betracht, wenn gewichtige, für den Betroffenen nachteilige Umstände vorliegen, die erkennen lassen, dass ein Fahrverbot von einem Monat nicht ausreicht, um ihn nachhaltig zu beeindrucken (KG, Beschl. v. 27.10.2020 – 3 Ws (B) 225/20 – 122 Ss 96/20, juris)