1. überblick
Der Gebührenstreitwert für Klagen auf Räumung und Herausgabe von Mietobjekten richtet sich nach § 41 Abs. 2 GKG. Hier ist zu differenzieren, worauf in der Praxis oftmals nicht genügend geachtet wird:
- Wird wegen Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses die Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils verlangt, ist ohne Rücksicht darauf, ob über das Bestehen des Nutzungsverhältnisses Streit besteht, das für die Dauer eines Jahres zu zahlende Entgelt maßgebend, wenn sich nicht nach § 41 Abs. 1 GKG ein geringerer Streitwert ergibt (§ 41 Abs. 2 S. 1 GKG).
- Wird dagegen die Räumung und Herausgabe auch aus einem anderen Rechtsgrund verlangt, ist der Jahreswert der Nutzung maßgebend (§ 41 Abs. 2 S. 1 GKG).
2. Räumung und Herausgabe auch aus einem anderen Rechtsgrund
Der Regelfall ist der, dass Räumung und Herausgabe auch aus einem anderen Rechtsgrund verlangt werden, nämlich dann, wenn der Vermieter Eigentümer, Nießbrauchinhaber oder anderweitig dinglich Berechtigter ist. In diesen Fällen ergibt sich sein Herausgabeanspruch nicht nur aus dem Mietvertrag (§ 546 Abs. 1 BGB), sondern aus dem dinglichen Recht (§ 985 BGB). Insoweit ist es unerheblich, ob sich der Vermieter auch auf diesen Anspruch beruft. Entscheidend ist lediglich, dass dieser Anspruch besteht. Ohnehin gilt der Grundsatz „da mihi factum, dabo tibi ius”, sodass es nicht zur Disposition der Parteien steht, auf welche Anspruchsgrundlage sie ihr Räumungsbegehren stützen wollen (KG AGS 2011, 90 = GuT 2011, 541 = NJW-Spezial 2010, 765 = MietRB 2011, 15 = ZfIR 2011, 37; OLG Koblenz AGS 2013, 413 = NJW-RR 2014, 197 = NZM 2014, 256 = NJW-Spezial 2013, 604 = MietRB 2013, 326; OLG Düsseldorf JurBüro 2011, 199 = ZMR 2011, 805 = MietRB 2011, 177; OLG Celle GE 2013, 546 = RVGreport 2013, 117).
Beispiel:
Der Eigentümer erklärt zum Ende des Monats die außerordentliche Kündigung eines frei kündbaren Geschäftsraummietverhältnisses, hilfsweise die ordentliche Kündigung. Die Parteien streiten nur darüber, ob die außerordentliche Kündigung wirksam ist oder ob das Mietverhältnis erst in sechs Monaten nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist endet.
Unabhängig davon, dass nur streitig ist, ob die Räumung in diesem Monat oder sechs Monate später fällig ist, gilt der Jahreswert.
Hinweis:
Es empfiehlt sich, im Falle einer Räumungsklage vorzutragen, dass der Vermieter auch Eigentümer oder anderweitig dinglich Berechtigter ist, damit das Gericht den Streitwert von vornherein richtig festsetzen kann.
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes ist der Wert der Nutzung eines Jahres maßgebend. Im Gegensatz zur Regelung in § 41 Abs. 2 S. 1 GKG (s.u.) kommt es also nicht auf das zu zahlende Entgelt an. Bedeutung hat dies, wenn die zuletzt gezahlte Miete unter dem Betrag der ortsüblichen Miete liegt. Maßgebend ist hier nicht unbedingt das vereinbarte Entgelt, sondern mindestens das angemessene Entgelt.
3. Räumung und Herausgabe ausschließlich aus anderem Rechtsgrund
Stützt sich der Kläger ausschließlich auf einen anderen Rechtsgrund, gilt § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 6 ZPO. Maßgebend ist der Verkehrswert.
In manchen Fällen kann es unklar sein, ob sich der Beklagte auf ein Nutzungsrecht beruft. Solche Fälle kommen häufig bei gescheiterten Immobilienverkäufen vor, z.B. wenn der Veräußerer dem Erwerber vorzeitig den Besitz des Objekts eingeräumt hat, die Durchführung des Kaufvertrags jedoch scheitert und er das Objekt zurückverlangt.
Abzustellen ist insoweit darauf, ob die vorzeitige Besitzüberlassung auf einer vertraglichen Nutzungsvereinbarung beruht oder lediglich i.R.d. Kaufvertrags eine vorzeitige übergabe des Besitzes erfolgt ist. Beruht die überlassung nicht auf einem Nutzungsverhältnis, bemisst sich der Gebührenstreitwert nicht gem. § 41 Abs. 2 GKG, sondern gem. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 6 S. 1 ZPO nach dem Verkehrswert der überlassenen Räume (OLG Hamm AGS 2011, 561 = NJW-RR 2012, 19 = NZM 2012, 53 = RVGreport 2011, 437; LG Berlin GE 2016, 1097; OLG Nürnberg AGS 2004, 344 = JurBüro 2004, 377 = MDR 2004, 966 = NJW-RR 2004, 1224 = NZM 2005, 359).
Beruht die vorzeitige überlassung des Besitzes dagegen auf einer Nutzungsvereinbarung oder wird eine solche eingewandt (s.u. 3.), ist wiederum der Jahresnutzungswert maßgebend (OLG Köln ZMR 1995, 549 = WuM 1995, 719 u. 1996, 105 = JurBüro 1996, 194).
4. Räumung und Herausgabe ausschließlich aufgrund anderen Rechtsgrunds, aber Einwand eines Nutzungsverhältnisses
Eine Besonderheit besteht dann, wenn sich der Kläger ausschließlich auf einen anderen Rechtsgrund beruft, der Beklagte aber ein Miet-, Pacht- oder ähnliches Nutzungsrecht einwendet. Auch in diesem Fall gilt nur der Jahreswert nach § 41 Abs. 2 GKG. Hier ist einmal der seltene Fall gegeben, dass die Einwendungen des Beklagten für die Berechnung des Streitwerts ausschlaggebend sind (OLG Koblenz AGS 2013, 413 = MDR 2013, 1069 = NJW-RR 2014, 197 = NZM 2014, 256 = ZfIR 2013, 608 = NJW-Spezial 2013, 604 = MietRB 2013, 326; OLG Köln GuT 2003, 64; OLG Düsseldorf AGS 2008, 307 = WuM 2008, 160 = ZMR 2008, 364 = NZM 2008, 542 = NJW-RR 2008, 1115 = MietRB 2008, 235; KG GE 2008, 603 = ZMR 2008, 448; OLG Köln ZMR 1995, 549 = WuM 1995, 719 u. 1996, 105 = JurBüro 1996, 194).