1. Die Reform der StVO-Novelle 2020
Wie hier berichtet ist die 54. VO zur änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20.4.2020 (BGBl I, 814, sog. StVO-Novelle 2020) wegen eines Verstoßes das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG in Bezug auf § 26a Abs. 1 Nr. 3 StVG (Fahrverbot) die Novelle verfassungswidrig und damit teilnichtig. Mit Verzögerung hat der Verordnungsgeber dies durch Erlass der Ersten Verordnung zur änderung der BKatV v. 13.10.2021 (BGBl I, 4688) reagiert, die am 9.11.2021 in Kraft getreten ist (näher Deutscher VRR 11/2021, 5; Kroll DAR 2021, 587). Neben redaktionellen Anpassungen wurden dabei die in der StVO-Novelle 2020 enthaltene änderungen in weiten Bereichen übernommen, wozu insb. neue Regelfahrverbote bei folgenden Verstößen gehören:
- Abbiegeverstößen (Nr. 39.1, 41 BKat),
- unterlassene Bildung einer Rettungsgasse auf der Autobahn oder außerorts bereits im Grundtatbestand ohne Qualifikation (Nr. 50 BKat),
- unzulässige Benutzung einer solchen Rettungsgasse (Nr. 50a – 50a.3 BKat).
Demgegenüber hat der Verordnungsgeber auf die in der StVO-Novelle 2020 vorgesehene Absenkung der Schwellenwerte für die Anordnung eines Fahrverbots bei Verstößen außerhalb beschlossener Ortschaften von 41 km/h auf 26 km/h und bei innerörtlichen überschreitungen von 31 km/h auf 21 km/h verzichtet. Stattdessen wurden als Ausgleich die Regelbußgeldsätze in den drei einschlägigen Tabellen im Anhang zu Nr. 11 BKat (1a: Lkw, 1b: Lkw mit gefährlichen Gütern und Kraftomnibusse mit Fahrgästen, 1c: Pkw) auch gegenüber den schon erhöhten Regelsätzen in der StVO Novelle 2020 erheblich angehoben und teils verdoppelt.
2. Trunkenheits- und Drogenfahrten (§ 24a StVG)
Bei der Durchführung einer Atemalkoholmessung mit dem Gerät Dräger Alcotest 9510 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren, weshalb in den Urteilsgründen grds. die Angabe des Messverfahrens und des von dem Gerät ermittelten Messergebnisses genügt, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler behauptet werden oder sonst ersichtlich sind. Will das Tatgericht freisprechen, weil die Verwaltungsbehörde die „innerstaatliche Bauartzulassung” des Messgeräts nicht übermittelt habe und daher eine vollumfängliche überprüfung der gegenständlichen Messung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht möglich sei, muss sich das Urteil dazu verhalten, ob und mit welchem Ergebnis die Messung des Atemalkohols entsprechend der Bedienungsanleitung mit einem geeichten Messgerät erfolgt ist, aus welchem Grund sich das Tatgericht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens veranlasst gesehen hat und weshalb hierzu die übersendung der „innerstaatlichen Bauartzulassung” erforderlich gewesen ist (BayObLG Blutalkohol 58 (2021), 263; NZV 2022, 44 [Balschun]). In solchen Fällen ist die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam, wenn der Bußgeldbescheid keine Angaben dazu enthält, in welchen konkreten Konzentrationen berauschende Mittel im Blut des Betroffenen nachgewiesen worden sind (OLG Hamm, Beschl. v. 3.8.2021 – 5RBs 157/21, zfs 2021, 708).
3. Das bußgeldrechtliche Fahrverbot (§§ 25 StVG, 4 BKatV)
Zu Rechtsgrundlagen und Systematik des bußgeldrechtlichen Fahrverbots wird verwiesen auf Deutscher, in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl. 2021, Rn 1509 ff., 1732 ff. Die Entwicklung des straßenverkehrsrechtlichen Fahrverbots im Jahr 2021 wird behandelt von Deutscher, NZV 2022, 105.
a) Der Tatbestand des Fahrverbots
Nicht jede Missachtung eines Wechsellichtzeichens trotz bereits länger als eine Sekunde andauernder Rotphase stellt eine typische, die Verhängung der erhöhten Geldbuße sowie eines Fahrverbots nach Nr. 132.3 BKat indizierende Pflichtverletzung dar. Insbesondere im Falle einer einspurigen Verkehrsführung an einer Baustellenampel kann die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräftet sein (BayObLG NZV 2022, 82 m. Anm. Steinert = demnächst in VRR 2022, [Deutscher]). Allein der Umstand, dass auch andere Verkehrsteilnehmer einen vergleichbaren Rotlichtverstoß begingen und dabei die Unübersichtlichkeit der Lichtzeichenanlage rügten, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme, es liege nur eine mindere Nachlässigkeit vor. Insoweit wären Feststellungen zur konkreten Verkehrssituation und dazu zu treffen, dass der Verstoß an dieser Stelle jedem sorgfältigen und gewissenhaften Fahrer unterlaufen könnte (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.8.2021 – 1 Rb 34 Ss 457/21, zfs 2021, 652).
b) Die Erforderlichkeit des Fahrverbots
Ein in der konkreten Situation objektiv wenig gefährliches Verhalten kann Anlass geben, das Regelfahrverbot auf seine Erforderlichkeit zu prüfen (so KG NZV 2022, 98 [Deutscher]). Wurde der Betroffene bei der von ihm begangenen Ordnungswidrigkeit selbst erheblich verletzt, so hat sich das Tatgericht bei der Begründung des Fahrverbots trotz der Indizwirkung des Bußgeldkatalogs in aller Regel damit zu befassen und zu begründen, warum es dennoch der Denkzettel-, Besinnungs- und Warnfunktion der Nebenfolge bedarf (KG, Beschl. v. 29.7.2021 – 3 Ws (B) 182/21, DAR 2021, 698 m. Anm. Krenberger; zfs 2022, 49; NZV 2022, 46 [Krumm]). Die Annahme, dass die Vollstreckung eines verfahrensfremden Fahrver...