1. Stress unter ehemaligen Freunden
Der ehemalige CEO der EnBW, Utz Claassen, gründete 2008 die Syntellix AG, das einen medizintechnischen Wirkstoff herstellt. Dieser Wirkstoff wird in Implantaten anstelle von Materialien wie z.B. Titan verwendet. Was ihn auszeichnet, ist die Tatsache, dass er sich im menschlichen Körper restlos abbaut und somit nicht mehr entfernt werden muss. An der Syntellix AG beteiligte sich auch Carsten Maschmeyer mit 43 %, verkaufte seinen Anteil jedoch 2016 wieder an Claassen. Hintergrund waren erhebliche Differenzen zwischen den beiden Kontrahenten über eine weitere Kapitalerhöhung der AG.
Maschmeyer äußerte sich öffentlich zu dem Vorgang, u.a. im Focus online, EURuro, Spiegel und Capital. Claassen behauptet, dass diese Einlassungen den Wert seiner eigenen Aktienbeteiligung an der Syntellix AG gemindert haben. Außerdem warf er Maschmeyer vor, öffentlich behauptet zu haben, er Claassen, schulde Maschmeyer Geld, sei aber nicht zahlungsfähig. Auf Grund dieser Vorwürfe verklagte Claassen Maschmeyer, einerseits diese Behauptung zu unterlassen. Außerdem verlangt er Schadensersatz wegen der Wertminderung seiner Beteiligung, da Maschmeyer durch seine öffentlichen Äußerungen Vertraulichkeitsverpflichtungen verletzt habe.
Das LG München I (Urt. v. 21.10.2021 – HKO 1687/19, vgl. auch https://www.justiz.bayern.de/gerichte-und-behoerden/landgericht/muenchen-1/presse/2021/28.php) lehnte beide Ansprüche ab. Es stellte fest, dass ein Reputationsschaden einer Aktiengesellschaft nur von dieser selbst geltend gemacht werden könne, nicht jedoch von einem einzelnen Aktionär. Das folge aus dem Gebot der Gleichbehandlung aller Aktionäre, wie er in § 53a AktG festgehalten ist. Claassen hätte einen Schadensersatzanspruch nur zugunsten der Syntellix AG als actio pro socio geltend machen können. Insofern ist die auf den Schadensersatz bezogene Klage unzulässig.
Den Unterlassungsanspruch verneinte das Gericht, weil die umstrittene Äußerung von der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt sei. Die Aussage, dass Claassen Maschmeyer Geld schulde, ergebe sich aus dem Aktienkaufvertrag mit Maschmeyer von 2016 und war daher korrekt. Die Behauptung einer angeblichen Zahlungsunfähigkeit von Claassen sei so nicht erfolgt. Die gegenüber EURuro getätigte Aussage Maschmeyers, er hoffe, Claassen würde das Geld „zusammenkriegen”, beinhaltet gerade nicht die Behauptung, dass Claassen nicht zahlen könne (s.o. I.1.).
2. Banken-Beratungspflicht bei Finanzierungsabsicherungen
Start-ups leben davon, dass ihre Finanzierung mit ihrer stürmischen Entwicklung Schritt hält. Ein Unternehmen sicherte seinen Finanzierungsbedarf für Investitionen vertraglich bei der beklagten Bank mit einer Zinssicherung ab. Über die Jahre wurde der Vertrag ab 2008 insgesamt noch dreimal in Anschlussverträgen restrukturiert, jedoch schloss er stets mit einem negativen Marktwert ab. Das Unternehmen forderte von der Bank die Erstattung dieses Betrags i.H.v. etwa 1,5 Mio. EUR, da es bei jedem Vertragsschluss in Bezug auf die Zinscollar- und Zinssatzswapverträge unzureichend beraten worden war. Der BGH (Urt. v. 13.6.2023 – XI ZR 464/21) sah eine entsprechende Aufklärungspflicht der Bank bei jedem der vier Verträge, jeweils separat und unabhängig voneinander, als gegeben an.
Dabei korrigierte der BGH die Ansicht der Vorinstanz, dass Ansprüche für Verträge, die länger als zehn Jahre zurücklagen, verjährt seien (gem. § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB), selbst wenn sie erst in der Berufungsbegründung und nicht bereits in der Klageschrift ausdrücklich geltend gemacht wurden. Die Einreichung der Klage wegen Pflichtverletzungen aus einem Anlageberatungsvertrag bewirkt die Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, auch hinsichtlich der Pflichtverletzungen, die nicht ausdrücklich in der Klageschrift erwähnt wurde.
3. Stress zwischen Gesellschaftern I
Gerade in Start-up-Gründungen zerstreiten sich Gründer häufiger: Liegt in einer Zwei-Personen-GmbH ein wichtiger Grund für einen Gesellschafterausschluss vor, ist die actio pro socio der richtige Weg für den verbleibenden Gesellschafter, den Ausschluss selbst umzusetzen. Der Gesellschafterstatus des gekündigten Gesellschafters endet mit der Rechtskraft des Urteils. Dessen Position als Gesellschafter ist nicht von der Leistung der zu zahlenden Abfindung abhängig, die im Einzelfall erst lange nach der Rechtskraft des Urteils vollständig beglichen ist (BGH, Urt. v. 11.7.2023 – II ZR 116/21, ZAP EN-Nr. 597/2023, NJW 2023, 3164 ff. unter Aufgabe der Rechtsprechung des BGH, NJW 1953, 780).
Hinweis:
Mit dieser Entscheidung wird eine Hängepartie vermieden, die entstünde, wenn einerseits der Gesellschafterausschluss als ultima ratio deutlich macht, nicht mehr zusammenarbeiten zu können, andererseits den „Störenfried” noch so lange in der GmbH geduldet werden müsste, bis die Abfindung (hier: 3 Mio. EUR) komplett geleistet ist.
4. Stress zwischen Gesellschaftern II
2017 gründeten die drei Parteien ein Unternehmen, das sich auf die Herstellung von Outdoorküchen spezialisierte. Dazu errichteten sie die A-GmbH, diese fungierte wiederum als Komplementärin der A-GmbH & Co. KG. Die drei Parteien beteiligten sic...