Zusammenfassung
Das Segment der Start-Up-Unternehmen wächst. Darunter sind Unternehmensgründungen meist mehrerer jüngerer Gründer zu verstehen, die ein Produkt auf eine bislang nicht am Markt etablierte, innovative Weise vermarkten. Viele Start-ups weisen mithilfe der Digitalisierung ein skalierbares Wachstumspotenzial auf, das für institutionelle Investoren interessant ist. Damit ergibt sich auch neuer Beratungsbedarf für dieses innovative Feld der Neugründungen. Entscheidende Aspekte in der Beratung von Start-ups sind zum einen die Förderung eines schnellen Wachstums, zum anderen in einer Krise die richtigen Entscheidungen zu treffen. Eine weitere Auswertung der Rechtsprechung im Anschluss an ZAP 2022, 237 zu Start-ups hilft, Blockaden der Unternehmensentwicklung durch Konflikte zwischen Gesellschaftern, Investoren, Wettbewerbern und Mitarbeitern zu vermeiden.
I. Rechtsformen im Wettbewerb
Im Folgenden geht es um die Wahl der Rechtsform einer englischen Private Limited Company (kurz: Ltd.). Diese Rechtsform wurde durch Unternehmensgründer in Deutschland gern benutzt, um eine Haftungsbeschränkung wie bei einer GmbH oder UG mit einer unkomplizierten Gründung zu kombinieren. Nach der Gründung einer Ltd. in England verlegte man anschließend ihren Unternehmenssitz nach Deutschland, um hier geschäftlich aktiv zu sein. Solange Großbritannien der EU angehörte, wurde dies durch die EU-weite Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 ff. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ermöglicht.
Die Frage, die sich nach dem Brexit stellte, ist, ob diese Konstellation weiterhin möglich bleibt. Ein Online-Händler für Kosmetika beantragte als Ltd. eine Einstweilige Verfügung gegen einen Konkurrenten, erlitt jedoch eine deutliche Niederlage. Das OLG München (Urt. v. 5.8.2021 – 29 U 2411/21 Kart) verneinte bereits die Parteifähigkeit der Ltd., die den Antrag stellte.
Für Handelsgesellschaften außerhalb der EU gilt die Sitztheorie, wonach das Recht des Landes, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, maßgeblich ist. Da der Sitz der Ltd. in Deutschland lag, unterliegt sie dem deutschen Gesellschaftsrecht mit seinen strengen Regeln für zugelassene Gesellschaftsformen. Die englische Ltd. gehört nicht (mehr) dazu. Das Austrittsabkommen zwischen Großbritannien und der EU enthält keine Bestimmungen zur Fortgeltung des Freizügigkeitsprinzips für britische Gesellschaftsformen. Seit dem Brexit wird eine Ltd. daher als GbR, oHG oder als einzelkaufmännisches Unternehmen betrachtet (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2008 – II ZR 158/06 in Bezug auf eine Schweizer AG). Infolgedessen verneinte das OLG die Rechts- und Parteifähigkeit des antragstellenden Unternehmens als Ltd. Der Antrag auf eine Einstweilige Verfügung scheiterte somit bereits an der Zulässigkeit.
Hinweis:
Anzumerken ist, dass Ltd.s in Deutschland nicht nur ihre Haftungsbeschränkung verlieren, sondern auch ihre Fähigkeit riskieren, Ansprüche geltend zu machen oder sich dagegen zu verteidigen. Um diese Eigenschaften aufrechtzuerhalten, muss eine Ltd. in eine andere Gesellschaftsform umgewandelt werden. Dies kann beispielsweise durch eine Verschmelzung mit einer anderen GmbH erfolgen, wobei diese dann als Rechtsnachfolger der Ltd. gilt (gem. § 5 Abs. 1 GmbHG). Alternativ käme auch die Rechtsform einer irischen Ltd. infrage.
II. Geschäftsmodelle im Wettbewerb
1. Stress mit Konkurrenten I
Ein bemerkenswerter Fall betraf den Biotechnologen B, der während seiner Tätigkeit in der Universitätsforschung ein Verfahren zur Herstellung von Peptiden entwickelte, das über die Universität patentiert wurde. Dabei wurde für B ein Erfinderanteil von 95 % und für seinen damaligen Kollegen G (Geschäftsführer der Klägerin) ein Anteil von 5 % angegeben. 2019 endete die Zusammenarbeit der beiden im Streit. Sowohl B als auch G gründeten jeweils eine GmbH zur Entwicklung und Herstellung von Peptiden. Im Juli 2021 veröffentlichte G für sein Unternehmen eine Pressemitteilung, dass die Investoren O, P und S mehrere Millionen EUR in sein Unternehmen für die Industrialisierung der Peptidproduktion investierten. Am 12.9.2021 lässt B über seinen Anwalt die Investoren O, S und P anschreiben, indem B die Rechte an der Technologie geltend macht. Sein Schreiben „weist darauf hin”, dass den Investoren Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe drohen, da Bs Unternehmen bereits über die Kenntnisse der Industrialisierung verfüge. Die GmbH des G beantragte eine einstweilige Verfügung gegen B, die im Brief vom 12.9.2021 aufgestellten Behauptungen zu unterlassen. Dem wurde im Wesentlichen stattgegeben (LG München I, Urt. v. 10.11.2021 – 21 O 13540/21).
In der Entscheidung war weniger die Erfindersituation relevant, sondern vielmehr die Behauptung von B, sein Unternehmen verfüge bereits über die Kenntnisse der Industrialisierung von Peptidprodukten. Da B den Wahrheitsgehalt dieser Behauptung nicht belegen konnte, sah das Gericht darin im Kontext der Interpretation durch die adressierten Verkehrskreise eine unwahre, kreditschädigende Tatsachenbehauptung gem. § 4 Nr. 2 UWG. Es oblag B, den Wahrheitsgehalt seiner Behaupt...