Bereits wenige Monate nach ihrem Amtsantritt hatte die neue Regierung eine bedeutende Liberalisierung im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen durchgesetzt: Abgeschafft wurde das in § 219a StGB geregelte Werbeverbot für Abtreibungen, das häufig dazu geführt hatte, dass Ärztinnen und Ärzte sich strafbar machten, wenn sie Informationen über Schwangerschaftsabbrüche zur Verfügung stellten.
Die Ampel-Koalition hatte seinerzeit aber noch mehr im Sinn: Sie wollte auch überprüfen lassen, ob an der prinzipiellen Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen festzuhalten ist oder hier Lockerungen sinnvoll oder sogar geboten sind. Dazu wurde 2023 eine Expertenkommission eingesetzt, die Möglichkeiten der Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches prüfen sollte; daneben sollten auch Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft untersucht werden. Zusammengesetzt war die „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin (Kom-rSF)” aus 18 unabhängigen Expertinnen und Experten aus den Fachbereichen Medizin, Psychologie, Soziologie, Gesundheitswissenschaften, Ethik und Recht.
Im April dieses Jahres hat dieses Expertengremium seinen Abschlussbericht vorgelegt. Darin kommen die Fachleute nach eingehender Untersuchung der verfassungs-, europa- und völkerrechtlichen Vorgaben zu dem Ergebnis, dass die derzeitige grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs, wie sie in § 218 StGB geregelt ist, zumindest in der Frühphase der Schwangerschaft nicht (mehr) haltbar ist. Sie empfehlen dem Gesetzgeber daher:
- Schwangerschaftsabbrüche in der Frühphase der Schwangerschaft sollten straflos gestellt werden.
- Für Abbrüche in der mittleren Phase der Schwangerschaft steht dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu. Bei Beibehaltung einer Strafbarkeit sollten aber Ausnahmeregelungen beibehalten bzw. erweitert werden, etwa hinsichtlich einer Gesundheitsgefahr der Schwangeren, einer embryo- bzw. fetopathischen Indikation sowie auch einer kriminologischen Indikation.
Hinsichtlich eines etwaigen Handlungsbedarfs zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin kamen die Experten zu dem Ergebnis, dass das bisherige Verbot der Eizellspende verfassungsrechtlich nicht geboten ist. Allerdings wäre eine schlichte Aufhebung des Verbotes der Eizellspende im Embryonenschutzgesetz verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zulässig. Wenn der Gesetzgeber die Eizellspende in Deutschland zulassen möchte, müsse er sie gesetzlich ausgestalten, wie dies z.B. in anderen Ländern im Rahmen eines umfassenden Fortpflanzungsmedizingesetzes bereits geschehen sei. Die Empfehlungen der Kommission lauten:
- Die Eizellspende könnte unter engen Voraussetzungen ermöglicht werden.
- Aufgrund ethischer, praktischer und rechtlicher Überlegungen sollte die altruistische Leihmutterschaft verboten bleiben oder lediglich unter sehr engen Voraussetzungen (z.B. nahes verwandtschaftliches oder freundschaftliches Verhältnis zwischen Wunscheltern und Leihmutter) ermöglicht werden.
Bundesjustizminister Buschmann kündigte an, den Bericht gründlich auswerten zu wollen, insbesondere die verfassungs- und völkerrechtlichen Argumente zu prüfen. Bundesfamilienministerin Paus wertete den Abschlussbericht der Kommission als „gute Grundlage für den nun notwendigen offenen und faktenbasierten Diskurs”. Ob die Ampel das Thema noch in dieser Legislaturperiode angehen wird, bezweifeln Beobachter allerdings. Im politischen Berlin gelten die aufgeworfenen Fragen als „heißes Eisen”. Aus der Unionsfraktion verlautete bereits, dass man auf jeden Fall nach Karlsruhe gehen werde, wenn Abtreibungen wie vorgeschlagen teilweise straffrei gestellt würden. Entsprechend zurückhaltend fiel deshalb auch die Stellungnahme des dritten an der Studie beteiligten Fachministeriums aus: „Am Ende braucht es [für die vorgeschlagenen Änderungen; Ergänzung d. Red.] aber einen breiten gesellschaftlichen und natürlich auch parlamentarischen Konsens”, war die verhaltene Einschätzung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
Der Abschlussbericht der Kom-rSF kann unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/K/Kom-rSF/Abschlussbericht_Kom-rSF.pdf heruntergeladen werden.
[Red.]