1. Urteile der Sozialgerichte
Gegen Urteile der SG ist grds. die Berufung an das LSG statthaft (§ 143). Allerdings bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG – oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung nach § 145 (ein Muster hierzu s. Beck’sches Prozessformularbuch, Kap. VIII Nr. 11) durch Beschluss des LSG – wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage,
- die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistungen oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR, oder
- bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 EUR
nicht übersteigt.
Diese Werte gelten nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Zuzulassen ist die Berufung unter den Voraussetzungen von § 144 Abs. 2. Das LSG ist an die Zulassung gebunden (§ 144 Abs. 3). Ein Muster einer Nichtzulassungsbeschwerde zum LSG mit Anmerkungen findet sich im Beck’schen Prozessformularbuch, Kap. VIII Nr. 11.
Für das Verfahren in der Berufung gelten grds. die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug entsprechend, mit Ausnahme der §§ 91, 105 und soweit sich aus den Vorschriften der §§ 143 ff. nichts anderes ergibt. Das LSG prüft den Streitfall im gleichen Umfang wie das SG und hat auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen (§ 157).
Gegen Urteile des SG ist Revision – nach Zulassung (auch von Amts wegen) durch das SG – unter Umgehung der Berufungsinstanz (Sprungrevision) unter den Voraussetzungen von § 161 möglich. Die Zulassung der Revision kann hierbei entweder im Urteil erfolgen oder innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils durch Beschluss auf Antrag, dem die schriftliche Zustimmung des Gegners beigefügt sein muss. Zuzulassen ist die Revision nach § 161 Abs. 2 S. 1 nur, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 (grundsätzliche Bedeutung und Divergenz, s. u. VIII.2.) vorliegen, eine Zulassung wegen eines Verfahrensmangels durch das SG scheidet aus (s. auch § 151 Abs. 4). Das BSG ist an die Zulassung der Revision durch das SG gebunden (§ 161 Abs. 2 S. 2).
Hinweis:
Hinsichtlich der Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen Entscheidungen der SG mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte (Beschwerde §§ 172–177, Erinnerung § 178, Anhörungsrüge § 178a, Verzögerungsrüge § 198 Abs. 3 GVG) wird auf die Ausführungen im HdB-SGG/Meßling, Kap. X verwiesen.
2. Urteile der Landessozialgerichte
Gegen Urteile des LSG – und gegen den Beschluss nach § 55a Abs. 5 S. 1 – ist die Revision an das BSG nur dann eröffnet, wenn sie
- in der Entscheidung des LSG (an die das BSG gebunden ist, § 160 Abs. 3), oder
- im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde (§ 160a) durch das BSG nach § 160a Abs. 4 S. 1
zugelassen worden ist. Statthaft ist eine Revision im SGG-Verfahren immer nur, wenn sie zugelassen ist (zur Sprungrevision s.o. VIII.1.) Die ausschließlichen Gründe für die Zulassung der Revision ergeben sich aus § 160 Abs. 2. Die Revisionsinstanz dient der rechtlichen Prüfung, das BSG trifft grds. keine eigenen Tatsachenfeststellungen (§ 163; zu Ausnahmen hiervon s. etwa M-L/K/L/S/Leitherer, SGG, § 163 Rn 5b). Entscheidungen des Revisionsgerichts dienen der einheitlichen Rechtsanwendung und dabei vor allem der Einheitlichkeit der Rechtsfortbildung.
a) Insbesondere: Zulassung durch das BSG (Nichtzulassungsbeschwerde – NZB)
Das BSG stellt hohe Anforderungen an die Begründung einer NZB. Nach den vom BSG für das Jahr 2022 veröffentlichen Zahlen wurden von den 932 durch Beschluss erledigten NZB-Verfahren in 786 Fällen die Beschwerden als unzulässig und in weiteren 40 Fällen als unbegründet zurückgewiesen. Nur 106 Beschwerden waren erfolgreich. Viele Beschwerden scheitern daran, dass sie keine Darlegungen zu den gesetzlichen Zulassungsgründen enthalten, sondern lediglich auf die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall abstellen (s. hierzu etwa den ablehnenden PKH-Beschluss BSG, Beschl. v. 10.8.2022 – B 4 AS 62/22 BH mit instruktiver Anm. Böttiger, jurisPR-SozR 21/2023 Nr. 6).
Zulassungsgründe sind:
- Nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die nach der Rechtsprechung vorliegt, wenn sich eine Rechtsfrage stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich und deren Klärung auch durch das Revisionsgericht zu erwarten ist (HdB-SGG/Meßling, Kap. IX Rn 70 m.w.N.). Zur notwendigen Darlegung, d.h. schlüssigen Erläuterung der grundsätzlichen Bedeutung s. dort Rn 283 mit Schriftsatzmuster Rn 295 ff.; s. ferner Beck’sches Prozessformularbuch, Kap. VIII. Nr. 13 zzgl. allgemeiner Hinweise zur Begründung der NZB.
- Nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 das Abweichen des Urteils des LSG von einer Entscheidung des BSG oder des GmSOGB oder des BVerfG, wenn das Urteil auf dieser Abweichung beruht (Divergenz). Zur schlüssigen Erläuterung der Divergenz in der Beschwerdebegründung s. HdB-SGG/Meßling, Kap. IX Rn 298 mit entsprechendem Schriftsatzmuster Rn 309; s. ferner Beck’sches Prozessformularbuch, Kap. VIII. Nr. 14.
- Nach...