Zusammenfassung
Der zweiteilige Beitrag erläutert den Rechtsweg und das Vorverfahren in der Sozialgerichtsbarkeit. Teil 1 gibt eine Übersicht über den Rechtsweg zu den Sozialgerichten, dem Vorverfahren sowie den Klagearten und schließt mit Ausführung zu Fristen, Form und Inhalten der Klage (ZAP 2023, 817). Im nachfolgenden Teil 2 (liegt der Schwerpunkt auf Beiladung, weiteren wesentlichen Verfahrensgrundsätzen, Abschluss des Verfahrens/Rechtsmitteln, aufschiebender Wirkung und einstweiligem Rechtsschutz.
Vorschriften ohne weitere Bezeichnung sind solche des SGG.
V. Beiladung (§ 75)
Der Beiladung kommt im sozialgerichtlichen Verfahren erhebliche Bedeutung zu. Sie ersetzt hier die ihr funktional entsprechenden Vorschriften zur Nebenintervention und Streitverkündung in der ZPO (dort §§ 66–74), die hier nicht anwendbar sind (Arg. aus § 74). Das Gesetz unterscheidet die sog. einfache Beiladung (§ 75 Abs. 1) von der notwendigen Beiladung (§ 75 Abs. 2).
Nach § 75 Abs. 1 kann das Gericht (Ermessen) von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen – hierzu zählen nicht nur rechtliche, sondern auch wirtschaftliche, ideelle oder tatsächliche Interessen, auf die die zu erwartende Entscheidung Einfluss haben kann – durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. Die Entscheidung darüber steht im Ermessen des Gerichts. Lediglich in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung ist die Bundesrepublik Deutschland nach S. 2 der Vorschrift auf Antrag zwingend beizuladen.
§ 75 Abs. 2 bestimmt: Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder ergibt sich im Verfahren, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des SGB IX, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt, so sind sie beizuladen. In diesen Fällen muss die Beiladung von Amts wegen, auch ohne Antrag eines Beteiligten oder des Dritten, erfolgen. Fallgruppen und Beispiele für die notwendige Beiladung finden sich bei Udsching in: Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens (im Folgenden: HdB-SGG/Verf.), Kap. VI Rn 12–18a.
Der anordnende Beiladungsbeschluss ist nach § 75 Abs. 3 unanfechtbar, sowohl bei einfacher als auch bei notwendiger Beiladung, anders bei Ablehnung eines Antrags auf Beiladung (Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG [im Folgenden: M-L/K/L/S/Verf.], § 75 Rn 16). Hinsichtlich der Auswirkungen der Beiladung bei der Geltendmachung von Angriffs- und Verteidigungsmittel und der Stellung abweichender Sachanträge s. § 75 Abs. 4 S. 1 (einfache Beiladung) und S. 2 (notwendige Beiladung).
Abs. 5 der Vorschrift bestimmt, dass die dort genannten Leistungsträger nach der Beiladung auch verurteilt werden können, wenn der Beigeladene statt des Beklagten leistungspflichtig ist, also wenn die Klage gegen den Beklagten keinen Erfolg haben kann. Voraussetzung für eine Verurteilung ist nicht, dass der beigeladene Leistungsträger über den geltend gemachten Anspruch schon in einem Verwaltungsverfahren entschieden hat, auch ein ansonsten notwendiges Vorverfahren muss nicht durchgeführt worden sein.
Ein Muster eines Beiladungsantrags mit Anm. findet sich im HdB-SGG/Udsching Kap. VI Rn 29.
VI. Wesentliche Verfahrensgrundsätze
1. Amtsermittlungsgrundsatz
Nach § 103 S. 1 erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind hierbei heranzuziehen. Das Gericht ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Es muss von sich, unabhängig davon, ob die Klage nach dem Tatsachenvortrag des Klägers schlüssig ist, aus alle geeigneten Ermittlungen durchführen, um die entscheidungserheblichen Tatsachen aufzuklären, die in prozessualer und materieller Hinsicht für die Entscheidung erheblich sind (zu Einzelheiten s. näher HdB-SGG/Groth, Kap. III Rn 5 ff.). Regelmäßig ergibt sich der Streitstoff im wesentlichen Umfang aus dem Inhalt der Verwaltungsakten. Hat die Verwaltung im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren die ihr nach § 20 SGB X obliegende Sachaufklärung nicht vorgenommen, kann das Gericht nach näherer Maßgabe von § 131 Abs. 5 den Vorgang an die Verwaltung zurückverweisen (s. hierzu näher M-L/K/L/S/Keller, § 131 Rn 17 ff.).
Nach § 103 S. 2 ist das Gericht bei der Erforschung des Sachverhalts an das Vorbringen und an Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Gleichwohl gestellte Beweisanträge sind lediglich Anregungen an das Gericht. Von Bedeutung ist jedoch ein Beweisantrag im Hinblick auf die Zulassung der Revision durch das BSG nach § 160 Abs. 2 Nr. 3, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird (s. hierzu unten VIII.2.a).
2. Mündliche Verhandlung
Nach § 124 Abs. 1 entscheidet das Gericht, soweit nichts anderes bestimmt ist, aufgrund mündlicher Verhandlung, der als Kernstück des sozialgerichtlichen Verfahrens besondere Wertigkeit im Hinblic...