Jeder (!) Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet für die Zahlung des Mindestlohns an den Arbeitnehmer und die Zahlung von Beiträgen an eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien (Urlaubskasse etc.) wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat (§ 13 MiLoG i.V.m. § 14 AEntG). Hierdurch wird eine Mindestlohnhaftung eines jeden Auftraggebers für die Einhaltung der Mindestlöhne nicht nur bei ihm selbst, sondern auch bei seinem Nachunternehmer begründet. Diese Haftung erstreckt sich zudem auf die Verpflichtungen eventueller weiterer Nachunternehmer (ausführlich zu der Frage der Auftraggeberhaftung Bissels/Falter DB 2015, 65; Oltmann/Fuhlrott NZA 2015, 392).

Zweifelhaft erscheint derzeit, ob es bei dieser sehr weitreichenden Haftung bleibt. So legt das BAG (z.B. BAG, Urt. v. 28.3.2007 – 10 AZR 76/06, NZA 2007, 613) § 14 AEntG, auf den § 13 MiLoG pauschal verweist, einschränkend aus. Nach Sinn und Zweck der Norm soll nicht jeder Auftraggeber haften, sondern nur derjenige Unternehmer, der zur Erfüllung eigener werk- oder dienstvertraglicher Verpflichtungen Dritte einschaltet. Schlagwortartig zusammengefasst wird dieses Konzept als "Generalunternehmerhaftung". Umstritten ist derzeit, ob dieses einschränkende Verständnis der Haftung auch für das MiLoG maßgeblich ist (vgl. Bayreuther NZA 2014, 865, 871; Insam/Hinrichs/Tacou NZA-RR 2014, 569, 570; Sittard RdA 2015, 99, 107). Zu berücksichtigen ist allerdings, dass das BAG mit dem Sinn und Zweck der Auftraggeberhaftung argumentiert. Die dabei angestellten Überlegungen könnten auf einen Auftraggeber, der nicht wie ein Dritter am Markt einkauft, sondern selbst eine komplexe Werk- bzw. Dienstleistungsstruktur schafft und beherrscht, ebenso zutreffen. Auch konzerninterne Dienstleistungsgesellschaften könnten deshalb selbst dann von der Auftraggeberhaftung betroffen sein, wenn man dem einschränkenden Verständnis des BAG ("Generalunternehmer") folgt.

Die Haftung beinhaltet das Nettoentgelt der Arbeitnehmer, also den Betrag, welcher nach Abzug der Steuern und der Sozialversicherungsbeiträge auszuzahlen ist. Hingegen sind beispielsweise Verzugszinsen und Annahmeverzugslohn nicht erfasst (Sittard RdA 2015, 99, 107). Die Haftung umfasst nur die Ansprüche auf Arbeitsentgelt für tatsächlich geleistete Arbeit.

Zu beachten ist schließlich, dass es sich um eine verschuldensunabhängige Haftung handelt. Auch bestehen keine Exkulpationsmöglichkeiten, d.h. es ist unbeachtlich, dass es keine Anzeichen dafür gab, dass ein Nachunternehmen nicht den Mindestlohn zahlen würde. Diese verschuldensunabhängige (Durchgriffs-)Haftung gilt auch im Fall der Insolvenz des Auftragnehmers. Diese erheblichen Haftungsrisiken können allein durch eine sinnvolle Vertragsgestaltung mit entsprechenden Überprüfungs- und (Sonder-)Kündigungsklauseln, durch Vertragsstrafen- bzw. Schadensersatzregelungen bzw. Rückgriffsrechten für den Fall der Inanspruchnahme sowie durch eine gewissenhafte Auswahl und regelmäßige Kontrolle der beauftragten Unternehmen soweit wie möglich reduziert werden. Den Einsatz von weiteren Subunternehmern unter Zustimmungsvorbehalt zu stellen, kann ebenfalls zur Risikominimierung beitragen.

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