(1) Umfang des Akteneinsichtsrechts

In dem Zusammenhang spielen die mit (Akten-)Einsicht in die Bedienungsanleitung und/oder andere Messunterlagen zusammenhängenden Fragen eine erhebliche Rolle. Diese haben in den letzten Jahren im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren Rechtsprechung und Literatur intensiv bewegt (vgl. dazu Cierniak zfs 2012, 664 ff.; Cierniak/Niehaus DAR 2014, 2 ff., Burhoff VRR 2011, 250, VA 2012, 50, VRR 2012, 130). Dabei geht es allerdings weitgehend nicht um die allgemeinen Fragen der Akteneinsicht, sondern um das Problem, ob und wenn ja, wie dem Verteidiger im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren Einsicht in Messunterlagen zu gewähren ist. Inzwischen ist die Diskussion aber abgeflacht. Deshalb soll hier ein kurzer Hinweis ausreichen (wegen weiterer Einzelheiten s. Burhoff/Burhoff, OWi, Rn. 254 ff.; Ludovisy/Eggert/Burhoff/Burhoff, Straßenverkehrsrecht, § 5 Rn. 251 ff.). In dieser Diskussion sind/waren zwei Punkte voneinander zu unterscheiden:

Nämlich zunächst die Frage, ob überhaupt ein Akteneinsichtsrecht besteht und wie Akteneinsicht zu gewähren ist. Dazu gilt: Weitgehend einig sind sich die Gerichte inzwischen darüber, dass dem Verteidiger auch in alle Unterlagen, die eine Messung betreffen, ein umfassendes Akteneinsichtsrecht zusteht (vgl. Rspr.-Nachweise bei Burhoff/Burhoff, OWi, Rn. 254 ff.; Ludovisy/Eggert/Burhoff/Burhoff, Straßenverkehrsrecht, § 5 Rn. 251 ff.). Das Einsichtsrecht wird insbesondere auch für die Bedienungsanleitung eines Messgeräts bejaht. Es wird i.d.R. entweder damit begründet, dass dem Verteidiger Einsicht in alle die Unterlagen zu gewähren ist, die auch einem Sachverständigen zur Verfügung gestellt werden (müssen), der ein Sachverständigengutachten über die Messung zu erstatten hat (vgl. dazu grundlegend AG Bad Kissingen zfs 2006, 706; s.a. OLG Naumburg DAR 2013, 37 m. Anm. Burhoff VRR 2013, 37 = StRR 2013, 36) oder es wird auf den Grundsatz der Aktenvollständigkeit abgestellt und daraus sowie aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens gefolgert, dass Schriftstücke, Unterlagen, Bild- und Tonaufnahmen, die für den Betroffenen als belastend oder entlastend von Bedeutung sein könnten, diesem nicht ferngehalten werden dürfen, da dies eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) bedeuten würde (KG DAR 2013, 213 m. Anm. Burhoff VRR 2013, 76 = StRR 2013, 77; LG Ellwangen DAR 2011, 418; LG Stuttgart, Verfg. v. 20.9.2011 – 19 Qs 101/11; Cierniak zfs 2012, 664, 673; Cierniak/Niehaus DAR 2014, 2, 4; Burhoff/Burhoff, OWi, Rn. 254 ff.).

 

Hinweis:

Befinden sich solche Vorgänge nicht in den Ermittlungsakten, sondern in anderen Akten oder bei anderen Behörden, so müssen auch diese zugänglich gemacht werden (vgl. dazu u.a. LG Dessau-Rosslau VRR 2011, 275; AG Bad Kissingen zfs 2006, 706; Cierniak a.a.O.; Cierniak/Niehaus a.a.O.; Meyer DAR 2010, 109).

Entsprechendes gilt für die sog. Lebensakte (vgl. u.a. AG Hagen VRR 2012, 353) oder einen Messfilm (AG Schleiden, Beschl. v. 13.7.2012 – 13 OWi 92/12 [b]; AG Königs Wusterhausen, Beschl. v. 17.3.2015 – 2.4 OWi 282/14; vgl. auch OLG Celle DAR 2012, 216 zum Akteneinsichtsrecht in einen Videofilm; wegen weiterer Nachweise vgl. Burhoff VRR 2011, 250, VA 2012, 50, VRR 2012, 130; s.a. noch Bock DAR 2011, 606). Der Verteidiger hat aber nur Anspruch auf solche Teile von Bildaufzeichnungen, die den Verkehrsverstoß selbst dokumentieren, so dass kein Anspruch auf Übermittlung von Falldateien im sog. Tuff-Format besteht (LG Aurich NZV 2012, 303; Burhoff/Stephan, OWi, Rn. 242).

Gestritten wird/wurde in der Rechtsprechung – z.T. auch noch – um die Art und Weise der Einsichtnahme. Dabei geht/ging es insbesondere um die Frage, ob dem Verteidiger ggf. eine Kopie der Bedienungsanleitung zur Verfügung gestellt werden muss/kann (vgl. zur Einsichtnahme in einer polizeilichen Videoaufzeichnung durch Zurverfügungstellen einer Kopie BayObLG NJW 1991, 1070 ff.) oder ob er dort (Akten-)Einsicht nehmen muss, wo die Bedienungsanleitung aufbewahrt wird, also i.d.R. in den Räumen der Verwaltungsbehörde oder bei der zuständigen Polizeibehörde. Zudem ist/war streitig, ob der Anfertigung und Aushändigung einer Kopie der Bedienungsanleitung an den Verteidiger nicht ggf. das Urheberrecht des Herstellers/Verfassers entgegensteht (vgl. zu Einzelheiten Burhoff VRR 2011, 250 ff.; zum Urheberecht s. aber § 45 UrhG und dazu verneinend u.a. KG DAR 2013, 213; OLG Celle NZV 2013, 608; Cierniak zfs 2012, 664 ff.). Die zu diesen Fragen vorliegende Rechtsprechung ist inzwischen so umfangreich, dass sie hier im Einzelnen nicht angeführt werden kann (s. aber Nachweise bei Burhoff VRR 2011, 250, VA 2012, 50 und VRR 2012, 130, z.T. im Volltext auf www.burhoff.de abrufbar; ebenso ein großer Teil der vorliegenden Rspr. im Volltext. Vgl. i.Ü. auch Burhoff/Burhoff, OWi, Rn. 254 ff.; Ludovisy/Eggert/Burhoff/Burhoff, Straßenverkehrsrecht, § 5 Rn. 251 ff.).

(2) Akteneinsichtsantrag

Der Verteidiger wird, wenn die Akteneinsicht nicht von Amts wegen auch auf die Bedienu...

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