Vorschläge der EU-Kommission zur Änderung des Fernabsatzrechts sind bei einer öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz im Mai auf unterschiedliche Bedenken der Sachverständigen gestoßen. Sie reichten von Einwänden in Einzelpunkten bis zum Zweifel, ob die neuen Rechtsnormen überhaupt erforderlich sind.
Die Kommission treibt derzeit zwei neue Richtlinien voran, die die Verbraucherrechte beim grenzüberschreitenden Handel mit digitalen Inhalten und beim Online-Handel verbessern sollen. Unter anderem soll der Gewährleistungsanspruch von derzeit sechs Monaten auf zwei Jahre verlängert werden.
Carsten Föhlisch, Rechtsexperte der Trusted Shops GmbH, bezweifelte, dass Rechtsunsicherheit der maßgebliche Grund für die Zurückhaltung der Kunden beim grenzüberschreitenden Einkauf sei. Vielmehr spielten Unsicherheit bei Zahlungsvorgängen, Sprachbarrieren und andere Gründe eine große Rolle. Aus Sicht des Handels wiederum seien ständig wechselnde Rechtsvorschriften das größere Problem, weshalb neue EU-Richtlinien das selbsterklärte Ziel konterkarierten. Unter dem Strich sei eine Neuregelung des Onlinekaufrechts aus Sicht der Marktakteure gar nicht notwendig, konstatierte Föhlisch.
Unsicherheit wird nach Ansicht von Martin Schmidt-Kessel, Professor für Deutsches und Europäisches Verbraucherrecht in Bayreuth, dadurch erzeugt, dass mit der vorgeschlagenen Richtlinie der Sachmängelbegriff massiv umformuliert werden soll. Er habe dafür "völliges Unverständnis", man solle bei den bewährten Begriffen bleiben.
Zur Verlängerung der Beweislastumkehr bei der Gewährleistung sagte der selbstständige Luxemburger Europarechts-Berater Bob Schmitz, eine solche Verlängerung auf zwei Jahre gelte in Portugal bereits seit einiger Zeit. Dies habe weder zu Nachteilen für die Händler noch zu den befürchteten Preiserhöhungen für die Verbraucher geführt. Im Gegenteil würden viele Unternehmen bereits mit freiwilligen Drei-Jahres-Fristen werben. Dem wollte Peter Schröder vom Handelsverband Deutschland HDE nicht folgen. Eine Allensbach-Umfrage zeige, dass nur 12 % der Verbraucher in Deutschland mit den geltenden Regelungen unzufrieden seien. Der Handel praktiziere Kulanz und stelle innerhalb der Gewährleistungsfrist meist keine Fragen, auch wenn die sechsmonatige Beweislastumkehr abgelaufen sei. Er müsse aber die Möglichkeit haben, sich gegen unberechtigte Forderungen, etwa von Querulanten, zu schützen.
Der Göttinger Jura-Professor Gerhard Spindler warf die Frage auf, was die Gleichstellung von Angeboten, die mit Daten statt mit Geld bezahlt werden, für Non-Profit-Dienste bedeute, also beispielsweise Wikipedia oder Open-Source-Software. Für ihn sei aus dem Richtlinienvorschlag nicht erkennbar, ob sie auch darunter fallen. Auch vermisste Spindler eine Einbeziehung des "Internets der Dinge" in die geplanten Regelungen.
Zweifel an den Wachstumsprognosen der EU-Kommission äußerte der Konstanzer Rechtsprofessor Michael Stürner. Wachstum beim Online-Handel werde auf Kosten des Offline-Handels gehen, prognostizierte er. Stürner warf auch einen sozialen Aspekt auf: Mit der Fokussierung auf den Online-Handel stärke man bestimmte Schichten der Bevölkerung, nämlich die technikaffinen Verbraucher. Er riet dazu, zunächst abzuwarten und zum gegebenen Zeitpunkt die Pläne zu Online-Handel mit denen der Kommission zum stationären Handel zu harmonisieren.
[Quelle: Bundestag]