1. Religiöse Verfolgung infolge Konversion
Nach § 3 Abs. 1 AsylG erfolgt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn ein Ausländer sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung u.a. wegen seiner Religion außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Dabei sind nach der Rechtsprechung des BVerwG staatliche Behörden und Verwaltungsgerichte bei der Prüfung der Voraussetzungen nicht an die Beurteilung des zuständigen Amtsträgers einer christlichen Kirche gebunden.
Zwar garantieren Art. 4 Abs. 1 und 2 GG als einheitliches Grundrecht sowie Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV den Religionsgesellschaften die Freiheit, ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten (zum Verhältnis der Bestimmungen zueinander im Sinne einer Schrankenspezialität: BVerfG EuGRZ 2014, 698 Rn 82 ff.). Deshalb ist nach dem Beschluss des BVerwG vom 25.8.2015 (1 B 40.15, NVwZ 2015, 1678 ff.) die die von einer Religionsgemeinschaft bestätigte Mitgliedschaft als solche von den Verwaltungsgerichten bei der Untersuchung, ob dem Asylbewerber in seinem Heimatland eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht, nicht infrage zu stellen. Ist die Mitgliedschaft in einer christlichen Religionsgemeinschaft durch Taufe bewirkt, kann sie aber nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur dann allein entscheidungserheblich sein, wenn eine Verfolgung in einem Land ausschließlich an die Kirchenzugehörigkeit anknüpft. Sei dies jedoch nicht der Fall, hätten das Bundesamt bzw. die Verwaltungsgerichte auf der Rechtstatsache der Kirchenmitgliedschaft aufbauend bei der Beurteilung der Schwere einer drohenden Verletzung der Religionsfreiheit des Betroffenen zu prüfen, ob die Befolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis für ihn zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig sei.
Hinweis:
Da bereits der unter dem Druck drohender Verfolgung erzwungene Verzicht auf eine Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung erreichen kann, ist für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund drohender religiöser Verfolgung in diesem Fall maßgeblich, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (BVerwGE 146, 67 Rn 28 ff. im Anschluss an EuGH NVwZ 2012, 1612).
2. Erteilung eines Aufenthaltstitels
Nach § 10 Abs. 1 AufenthG kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern. Nach dem Urteil des BVerwG vom 17.12.2015 (1 C 31.14) reicht für den Wegfall der Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 1 AufenthG ein lediglich teilweise bestandskräftiger Abschluss des mit dem Asylantrag eingeleiteten Verwaltungsverfahrens nicht aus. Bereits der Wortlaut der Vorschrift erfordere, dass das Asylverfahren insgesamt bestandskräftig abgeschlossen worden sei. Dies bestätige auch der systematische Zusammenhang mit § 10 Abs. 3 AufenthG, der den Fall einer unanfechtbaren Ablehnung des Asylantrages regele und auch hier nicht zwischen den einzelnen Entscheidungsgegenständen eines Asylverfahrens differenziere; dies sehe § 10 AufenthG auch sonst nicht vor.
Hinweis:
Die Regelungen der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl L 337 S. 9) rechtfertigen keine andere Beurteilung. Sie sind nicht auf die Feststellung anzuwenden, ob die Voraussetzungen von Abschiebungsschutz nach nationalem Recht (§ 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG) vorliegen (BVerwG a.a.O.).
3. Berücksichtigung des Kindeswohls bei Ausweisung
Bei der Ausweisung eines Ausländers stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, wenn er dadurch gezwungen wird, die häusliche Gemeinschaft und den direkten Kontakt zu seinem minderjährigen Kind für einen nicht nur vorübergehenden Zeitraum aufzugeben. Das BVerwG hat in seinem Beschluss vom 21.7.2015 (1 B 26.15, AuAS 2015, 194 f.) dargelegt, dass es bei der im Rahmen der Ermessensentscheidung zu prüfenden Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung einer einzelfallbezogenen Würdigung und Abwägung des für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der in...