1. Ankreuzverfahren bei dienstlichen Beurteilungen
Die dienstliche Beurteilung dient der Verwirklichung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatzes, Beamte nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung einzustellen und zu befördern (Art. 33 Abs. 2 GG). Ihr Ziel ist es, die den Umständen nach optimale Verwendung des Beamten zu gewährleisten und so die im öffentlichen Interesse liegende Erfüllung hoheitlicher Aufgaben durch Beamte (Art. 33 Abs. 4 GG) bestmöglich zu sichern. Zugleich dient die dienstliche Beurteilung dem berechtigten Anliegen des Beamten, in seiner Laufbahn entsprechend seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung voranzukommen. Die dienstliche Beurteilung soll den Vergleich mehrerer Beamter miteinander ermöglichen. Ihre wesentliche Aussagekraft erhält sie erst aufgrund ihrer Relation zu den Bewertungen in den dienstlichen Beurteilungen anderer Beamter. Daraus folgt, dass die Beurteilungsmaßstäbe gleich sein und gleich angewendet werden müssen (BVerwG NVwZ-RR 2013, 54).
Die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Vergleichsgrundlage setzt voraus, dass sie inhaltlich aussagekräftig sind. Sie müssen eine tragfähige Grundlage für die Auswahlentscheidung vermitteln (BVerfG NVwZ 2013, 1603). Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, die Leistungen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen (st. Rspr.: BVerwGE 150, 359 m.w.N.).
Nach dem Urteil des BVerwG vom 17.9.2015 (2 C 27.14, IÖD 2016, 50 ff. = DokBer 2016, 63 ff.) kann der Dienstherr in seinen Beurteilungsrichtlinien ein Ankreuzverfahren für die Einzelbewertungen ohne zusätzliche individuelle textliche Begründungen vorsehen, sofern die Bewertungskriterien hinreichend differenziert und die Notenstufen textlich definiert sind. Er muss aber auf Verlangen des Beamten die im Ankreuzverfahren vorgenommenen Einzelbewertungen im weiteren Verfahren plausibilisieren. Ferner verlangt das BVerwG, dass im Unterschied zu den Einzelbewertungen das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung i.d.R. einer gesonderten Begründung bedarf, um erkennbar zu machen, wie es aus den Einzelbegründungen hergeleitet wird. Einer Begründung bedürfe es insbesondere dann, wenn die Beurteilungsrichtlinien für die Einzelbewertungen einerseits und für das Gesamturteil andererseits unterschiedliche Bewertungsskalen vorsähen. Im Übrigen seien die Anforderungen an die Begründung für das Gesamturteil umso geringer, je einheitlicher das Leistungsbild bei den Einzelbewertungen sei. Gänzlich entbehrlich sei eine Begründung für das Gesamturteil nur dann, wenn im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht komme, weil sich die vergebene Note – vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null – geradezu aufdränge.
2. Fortschreibung dienstlicher Beurteilungen von freigestellten Personalratsmitgliedern
Aufgrund des Benachteiligungsverbots hat der Dienstherr dem Personalratsmitglied eine berufliche Entwicklung zukommen zu lassen, wie sie ohne Freistellung verlaufen wäre. Wie dieser Grundsatz im Einzelnen zu verwirklichen ist, liegt im Ermessen des Dienstherrn (BVerwG Buchholz 232.1 § 33 BLV Nr. 3 Rn 15). Das vielfach hierfür gewählte Referenzgruppenmodell ist grundsätzlich geeignet, der Zielsetzung des Behinderungsverbots Rechnung zu tragen, weil es eine Fortentwicklung der Leistung entsprechend dem durchschnittlichen beruflichen Werdegang einer Gruppe vergleichbarer Beamten und Soldaten unterstellt (BVerwG Buchholz 449 § 3 SG Nr. 74 Rn 23). Die erforderliche Größe der für ein freigestelltes Personalratsmitglied gebildeten Referenzgruppe ist allerdings eine Frage des Einzelfalls. Die fiktive Fortschreibung fingiert nicht nur eine tatsächlich im Beurteilungszeitraum nicht erbrachte Dienstleistung, sie unterstellt auch eine Fortentwicklung der Leistungen des Beamten/Soldaten entsprechend dem durchschnittlichen beruflichen Werdegang einer Gruppe vergleichbarer Beamten/Soldaten. Damit prognostiziert sie, wie der Beamte/Soldat voraussichtlich zu beurteilen wäre, wäre er im maßgeblichen Zeitraum nicht freigestellt und hätten sich seine Leistungen wie die vergleichbarer Beamten/Soldaten fortentwickelt.
Stellt die fiktive Fortschreibung hiernach als in mehreren Punkten hypothetische Vergleichsbetrachtung eine bloße Prognose dar, so setzt sie nach dem Beschluss des BVerwG vom 23.12.2015 (2 B 40.14) eine belastbare Tatsachengrundlage voraus. Aus diesem Erfordernis ergeben sich nach der vorgenannten Rechtsprechung die Grenzen der Nachzeichnungsmöglichkeit: Lässt sich eine belastbare Prognose nicht treffen, kann von einer Beurteilung tatsächlicher Leistungen als Grundlage einer dem Art. 33 Abs. 2 GG gerecht werdenden Auswahlentscheidung nicht abgesehen werden. Denn eine fiktive Fortschreibung ohne belastbare Tatsachengrundlage ist einer auf der Grundlage tatsächlicher Leistungen erstellten Beurteilung nicht mehr vergleichbar. Sie kann daher dem einheitliche Bewertungsmaßstäbe voraussetzenden Leistungsgrundsatz in einem Auswahlverfahren nicht mehr genügen. Eine...