1. Nettoeinkommen
Grundlage der Bemessung der Tagessatzhöhe ist das dem Angeklagten zur Verfügung stehende Nettoeinkommen (Nettoeinkommensprinzip). Zur Ermittlung des durchschnittlichen Einkommens sind grundsätzlich rückblickend die Einkünfte für einen Zeitraum festzustellen, der das Durchschnittseinkommen erkennbar macht; hieraus ist das Tageseinkommen zu errechnen (Fischer, a.a.O., § 40 Rn 6a).
Der Einkommensbegriff ist ein strafrechtlicher, kein steuerrechtlicher. Heranzuziehen sind deshalb nicht etwa nur Einkünfte aus selbstständiger oder unselbstständiger Erwerbstätigkeit oder aus Vermietung und Verpachtung, sondern sämtliche Bezüge, die dem Angeklagten zufließen. Hier kommen u.a. Unterhaltszahlungen, Unterstützung durch die Eltern (etwa bei Studenten), Sachbezüge, der Mietwert des selbstgenutzten Eigenheims, BAföG, Kindergeld und Sozialleistungen, insbesondere Arbeitslosengeld I und II, in Betracht (Fischer, a.a.O., § 40 Rn 7). Relevant sind hierbei ausschließlich Zahlungen, die der Angeklagte für sich selbst erhält.
Hinweis:
Bei Arbeitslosen, Asylbewerbern und Sozialhilfeempfängern ist auf die gesamten Unterstützungsleistungen einschließlich etwaiger Sachleistungen wie Unterkunft, Verpflegung usw. abzustellen (Fischer, a.a.O., § 40 Rn 7). Bei Strafgefangenen hingegen bleiben die durch den unfreiwilligen Haftaufenthalt ersparten Aufwendungen für Kost und Logis außer Betracht (OLG Frankfurt StV 2015, 178; OLG Köln, Beschl. v. 22.1.2016 – 1 RVs 3/16).
Bei nicht berufstätigen verheirateten/verpartnerten Personen kommt es auf ihre Teilhabe am Familieneinkommen an. Relevant ist insoweit der tatsächlich gewährte Naturalunterhalt einschließlich eines etwaigen Taschengeldes (Fischer, a.a.O., § 40 Rn 9). Einkünfte des Ehegatten/des Lebenspartners können aber berücksichtigt werden, sofern dem Angeklagten hieraus Vorteile zufließen, die als dauerhaftes Einkommen anzusehen sind (OLG Celle NZV 2011, 560).
Hinweis:
Derartige Anrechnungen dürfen aber nicht zu einer Art "Gesamtschuldnerhaftung" des Angeklagten und seiner Angehörigen führen. Darauf hat der Verteidiger hinzuweisen, wenn sich, was hin und wieder vorkommt, abzeichnet, dass man einer Hausfrau/einem Hausmann vorwirft, sich hinter den Einkünften des anderen Ehegatten zu "verstecken" oder sich "künstlich arm zu rechnen", obwohl doch das Familieneinkommen gut sei. Eine solche Herangehensweise ist unzulässig; es besteht keine Pflicht, die eigene Leistungsfähigkeit im Hinblick auf mögliche Geldstrafen möglichst hoch zu halten. Vielmehr ist die Entscheidung eines Ehegatten/Lebenspartners, nicht zu arbeiten, grundsätzlich zu respektieren. Nicht sachgerecht ist es daher, die Nettoeinkommen beider Partner zu addieren und den rechnerischen Hälftebetrag als Beurteilungsgrundlage für die Höhe des Tagessatzes heranzuziehen (OLG Zweibrücken StV 2000, 202).
2. Fiktive Einkünfte
Gemäß § 40 Abs. 2 S. 2 StGB ist bei der Festsetzung der Tagessatzhöhe nicht nur das tatsächlich bezogene, sondern auch das nur erzielbare Nettoeinkommen zu berücksichtigen. Es soll dem Angeklagten nicht zugutekommen, wenn er – in vorwerfbarer Weise – seine Arbeitskraft brachliegen lässt oder seine Leistungsfähigkeit herabsetzt (Fischer, a.a.O., § 40 StGB Rn 8).
Die Heranziehung fiktiver Einkünfte kommt aber nur ausnahmsweise in Betracht. Grundsätzlich ist die Tagessatzhöhe nach dem Einkommen zu bemessen, das der Angeklagte tatsächlich erzielt. Nur wenn festgestellt werden kann, dass er zumutbare Erwerbsmöglichkeiten ohne billigenswerte Gründe nicht wahrnimmt und deshalb kein oder nur ein herabgesetztes Nettoeinkommen erzielt, kann auf bloß erzielbare Einnahmen zurückgegriffen werden. Dies kann etwa der Fall ein, wenn ein Angeklagter ohne anerkennenswerten Grund auf eine schlechter bezahlte Arbeitsstelle wechselt oder auf sonstige Weise seine Erwerbskraft bewusst herabsetzt, um im Hinblick auf eine gegen ihn zu verhängende Geldstrafe nach einem geringeren Einkommen beurteilt zu werden (KG StV 2000, 203).
Hinweis:
Abgesehen von derartigen Fällen dient die Heranziehung fiktiver Einkünfte aber nicht dem Zweck, die Lebensführung des Angeklagten zu beeinflussen oder gar zu sanktionieren. Entscheidet er sich aus achtenswerten Motiven dafür, auf ein persönliches Ausnutzen seiner Leistungsfähigkeit zu verzichten, ist dies hinzunehmen (vgl. Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, a.a.O., § 40 Rn 11). Dies ist insbesondere zu beachten, wenn sich jemand für die Betreuung und Erziehung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen entscheidet.
Sofern der Angeklagte ein Arbeitsverhältnis nicht selbst ausgeschlagen/gekündigt hat, wird sich die Höhe der erzielbaren Einkünfte nur selten exakt feststellen lassen. Hier kann der Tatrichter dann auf eine Schätzung zurückgreifen (§ 40 Abs. 3 StGB, s. unten IV.). Dabei darf aber in den Urteilsgründen nicht lediglich ausgeführt werden, der Angeklagte hätte "bei zumutbarem Einsatz seiner Arbeitskraft ein monatliches Einkommen in Höhe von X erzielen können". Vielmehr bedarf es einer nachvollziehbaren Darlegung, auf welcher konkrete...